Die Aktion war gut gemeint: Die Spendengelder sollen Kinder mit seltenen Krankheiten unterstützen. Doch Eltern sind vor den Kopf gestossen. Auf einem Spendenaufruf entdecken sie ein Foto ihres schwerkranken Kindes. Man habe sie nie angefragt, ob das Bild für den Bettelbrief verwendet werden dürfe. «Wir haben demütigende Erfahrungen gemacht, die uns sehr verletzt haben. Unser Kind ist für Werbezwecke missbraucht worden”, erzählt ein Vater. Auch die Mutter ist aufgewühlt: «Man sollte dieses Bild sehen können, und dann drüber entscheiden, ob man das in dieser Form möchte – oder nicht.»
Kein Einzelfall: «Kassensturz» hatte Einsicht in Akten von weiteren Familien. Darunter Verträge, die man ihnen vorgelegt hat. Darin steht: «Der Inhaber der elterlichen Sorge stimmt im Namen des Kindes zu, dass Orphanhealthcare audiovisuelles Material des Kindes (...) anfertigt und dieses audiovisuelle Material kann im Rahmen des Stiftungszweckes von Orphanhealthcare zeitlich und räumlich unbeschränkt verwendet werden.»
Dominique Jakob, der Leiter des Zentrums für Stiftungsrecht an der Universität Zürich, ist skeptisch: «Wenn ein Kind in misslicher Lage porträtiert wird, um quasi damit an die Öffentlichkeit zu gehen, dann muss hier für jedes Bild theoretisch eine Einwilligung vorliegen, die so konkret ist, dass sie eine echte Einwilligung ist, die personenrechtlich dann auch hält.»
Orpheanhealthcare sagt, die Verträge seien von Fachjuristen für rechtmässig und geeignet befunden worden. Und: Spendenaufrufe bedürften einer Bebilderung der Notleidenden, sonst würde niemand spenden.
Der Spendenaufruf enthielt mehrere Aussagen, die beim Lesen wohl Mitleid erweckten, jedoch niemals der Realität entsprachen.
Eine der betroffenen Familien kritisiert, Orphanhealthcare habe Fotos ihres Kindes sogar entgegen ausdrücklicher schriftlicher Aufforderung, dies nicht mehr zu tun, einfach weiter zu Werbezwecken verwendet. Der Anwalt der Familie schreibt, der Spendenaufruf enthalte mehrere Aussagen, «die beim Lesen wohl Mitleid erweckten, jedoch niemals der Realität entsprachen». So heisse es, das Kind habe «Mühe, zu atmen und zu schlucken». Das sei unzutreffend.
Die Stiftung sagt, das Kind sei mehrfach an Veranstaltungen gewesen und habe offensichtlich Probleme beim Schlucken gehabt. Zum Vorwurf, Bilder verwendet zu haben trotz ausdrücklicher Aufforderung, dies nicht zu tun, sagt die Stiftung, sie habe die Rechte an den Bildern noch immer. Diese würden nicht mehr verwendet.
Aufgebrachte Eltern haben sich bei Manuela Stier vom «Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten» gemeldet, der betroffene Familien unterstützt: «Wir fragen bei jedem Mailing. Wir würden nie ein Bild verwenden, zu dem eine Familie nicht ja gesagt hat.» Manuela
Stier kritisiert auch Fundraising-Verträge, die Familien vorgelegt wurden: «20 Prozent den Familien und 80 Prozent Orphanhealthcare, das ist für mich unverständlich, dass man als Stiftung einer Familie so etwas auf den Tisch legen kann.» Tatsächlich steht in Verträgen: «Der Inhaber der elterlichen Sorge hat Anspruch auf 20% der (...) gesammelten Spendengelder, maximal jedoch auf den Betrag des Fundraising-Ziels.» Orpheanhealthcare äussert sich nicht zur Spendenklausel und sagt, Frau Stier sei Mitbegründerin einer konkurrierenden Hilfsorganisation.
Zurück bleiben enttäuschte Eltern: «Mir kommt das vor, als sei unser Kind degradiert und seine tödliche Krankheit ausgenutzt worden, um Geld zu sammeln.»