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Leistungseinstellungen Schwieriger Kampf gegen die Versicherungen

Unfallversicherungen lehnen immer mehr Fälle ab. Auf Betroffene warten hohe Kosten und lange Verfahren.

Jonas N`Hili verletzt sich im März letzten Jahres bei Arbeiten auf einer Baustelle an der Schulter. Erste Untersuchungen weisen auf eine Zerrung hin. Trotz Physiotherapie verbessert sich sein Gesundheitszustand jedoch kaum. Die Unfallversicherung von Jonas N`Hili, die Suva, übernimmt die Behandlungskosten und zahlt Krankentaggeld. Doch nach rund 3 Monaten stellt die Suva alle Leistungen per sofort ein. Die Krankenkasse sei von nun an zuständig.

Die Begründung: Eine Zerrung sei nach 3 Monaten ausgeheilt. Dass Jonas N`Hili zu diesem Zeitpunkt noch immer erhebliche Beschwerden hat, tut dabei nichts zur Sache. Ein Zusammenhang zwischen diesen Beschwerden und dem Unfall könne nicht ausreichend nachgewiesen werden, schreibt die Suva.

Anstieg an Ablehnungen

Die Co-Leiterin der Fachgruppe Versicherungsrecht des Zürcher Anwaltsverbands Evalotta Samuelsson beobachtet eine starke Häufung solcher Ablehnungen in den letzten fünf Jahren. Die Unfallstatistik aller Versicherer zeigt: Während der Anteil abgelehnter Fällen seit 2013 jahrelang stabil bei ca. 4.3 Prozent verharrte, stieg dieser ab 2018 an, auf 5.6 Prozent im Jahr 2022.

Evalotta Samuelsson kritisiert, dass Unfallversicherungen gezielt nach Vorzuständen suchen, um Leistungen einzustellen. Gerade bei körperlich arbeitenden oder älteren Personen werde man fast immer fündig. Bereits geringe Zweifel am Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung würden ausreichen, um einen Fall abzulehnen, so die Juristin.

Im Zweifel gegen die Versicherten

Der Anstieg der Ablehnungen ab 2018 überrascht: Eine Gesetzesrevision von 2017 hätte die Position der Versicherten eigentlich stärken sollen. Mit dem neuen Gesetz muss bei bestimmten Verletzungen nicht mehr nachgewiesen werden, dass eine äussere Gewalteinwirkung stattfand, damit es als Unfall eingestuft wird. Laut Thomas Gächter, Leiter der juristischen Fakultät Zürich, sollte die Reform Verbesserungen für Versicherte mit sich bringen, herausgekommen sei jedoch das Gegenteil.

Dass Versicherungen sich nun häufiger auf Vorschädigungen berufen, habe ebenfalls mit der Gesetzesrevision zu tun, so Samuelsson. Zuvor mussten Versicherungen eindeutig nachweisen, dass ein Vorzustand zu einer Verletzung führte, nun muss die Versicherung diesen Beweis nur noch vorwiegend antreten können. Das herabgesetzte Beweismass begünstige die Versicherer, so Juristin Evalotta Samuelsson.

Operationsbericht widerspricht Suva

Jonas N`Hili ist einer von tausenden Menschen in der Schweiz mit abgelehnten Leistungsübernahmen. Die Suva weigert sich noch immer, seine Verletzung als Unfall anzuerkennen – trotz zweier ärztlicher Gutachten, die er in Auftrag gegeben hatte, und dem Bericht einer kürzlich erfolgten Operation, die das Gegenteil zeigen. Der junge Bauarbeiter hat Klage gegen den Entscheid der Suva eingereicht, das Gerichtsverfahren läuft noch. Er hofft nun auf eine schnelle Genesung.

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Espresso, 15.4.25, 8:10 Uhr

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