Nicole Giger war Storemanagerin eines Shops der Rent a Box Schmuck und Uhren AG. Die Firma ist laut eigenen Angaben die grösste Händlerin für gebrauchten Schmuck und Uhren in der Schweiz. Letzten Frühling reichte Nicole Giger die Kündigung ein. «Der Lohn wurde oft erst mehrere Tage oder zum Teil auch Wochen nach Monatsende ausbezahlt, das wollte ich nicht mehr mitmachen».
Nach der Kündigung wurde sie krankgeschrieben und erhielt von ihrem Arbeitgeber Rent a Box Schmuck und Uhren AG plötzlich kein Geld mehr. Auch 73 Überstunden seien laut Nicole Giger nicht ausbezahlt worden.
Laut dem Geschäftsführer der Firma, Patrik Baumann, seien die Forderungen nicht gerechtfertigt gewesen. Nicole Giger sieht das anders und betreibt darauf die Firma. Es geht um 11’541 Franken.
Viele Betreibungen
Nicole Giger ist nicht die einzige Person, die die Firma Rent a Box Schmuck und Uhren AG im Herbst 2024 betreibt. Kassensturz liegt ein Betreibungsregisterauszug aus dieser Zeit vor. Dieser zeigt: Die Firma wurde im Herbst 2024 vielfach betrieben. Die einen Forderungen wurden bezahlt, andere wurden bestritten.
Unter den Gläubigern sind Behörden, Firmen und ehemalige Mitarbeitende. Die offenen Forderungen belaufen sich zu diesem Zeitpunkt auf über 300'000 Franken.
Laut dem Geschäftsführer Patrik Baumann gäbe es inzwischen nur noch einzelne Forderungen, die aber bestritten würden. «Wir haben die betriebenen Rechnungen von Mehrwertsteuer und Ausgleichskassen zwischenzeitlich allesamt bezahlt.»
Angestellte müssen vor Gericht
Kassensturz hat mit insgesamt sechs ehemaligen Mitarbeitenden gesprochen: Alle erzählen, dass der Lohn oft zu spät und am Ende gar nicht mehr ausbezahlt worden sei. Die meisten wehrten sich, wie Nicole Giger. Ein Mitarbeiter musste vor den Einzelrichter, um 14'000 Franken Lohnzahlungen zu erhalten.
In einem weiteren Fall musste eine Lernende bis vor das Arbeitsgericht gehen, um mehrere Löhne zu erhalten. Auch das Lehrzeugnis erhielt sie erst nach dem Gerichtsentscheid.
Was sagt Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich zum Vorgehen dieser Firma? «Wenn man wirklich dahinter vermuten muss, dass dieses Vorgehen System hat, dann ist das einerseits rechtlich nicht in Ordnung, aber es ist auch eine Frage des Anstands: Ein solches Verhalten ist für mich inakzeptabel.»
«Keine Verletzung von Arbeitgeberpflichten»
Patrik Baumann, der Geschäftsführer von Rent a Box Schmuck und Uhren AG, widerspricht, es würden keine Arbeitgeberpflichten systematisch verletzt, aber: «Wir waren in den letzten rund zwei Jahren in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, die es nicht zuliess, allen Verpflichtungen immer zeitgerecht nachzukommen, was wir bedauern, aber in Ordnung gebracht haben, sodass uns keine Verletzung von Arbeitgeberpflichten vorgeworfen werden kann.»
Doch Recherchen zeigen: Die Firma zog 2024 Mitarbeitenden während mehreren Monaten Krankentaggelder-Beiträge ab, obwohl die Versicherungsdeckung erloschen war.
Für Roger Rudolph ist der fehlende Versicherungsschutz eine Vertragsverletzung. Dem Geschäftsführer tut es leid, er schreibt: «Wir ziehen zwischenzeitlich keine KTG-Beiträge mehr ab und haben unsere Mitarbeitenden betreffend Taggelder schadlos gehalten.»
Nicole Giger hat nach Monaten Bangen und mit juristischer Unterstützung fast die gesamte geforderte Summe erhalten, 10'700 Franken.