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Gekonnt einen teuren Vertrag aufgeschwatzt
Aus Espresso vom 26.01.2023. Bild: Imago Images
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Telefonischer «Überfall» Deutsche Firma zockt Schweizer KMU ab

Mit aggressivem Telefonmarketing versucht ein dubioser Suchmaschinen-Dienstleister, hiesigen KMU Geld abzuknöpfen.

Sie sei von einer ihr unbekannten Dame am Telefon regelrecht «überfahren» worden, berichtet die Inhaberin eines Zuger Coiffuregeschäfts im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso»: «Diese Frau hat wahnsinnig viel und schnell gesprochen.» Das Gespräch sei aufgezeichnet worden und sie habe nur mit Ja oder Nein antworten können. Worum es gegangen sei, habe sie nicht verstanden. Die Dame habe ihr aber zugesichert, Unterlagen zu schicken: «Da habe ich mir gedacht: Schick du das mal», erinnert sie sich.

Happige Rechnung für gar nichts

Kurz darauf erhielt sie Post von einer deutschen Firma namens «Suchmaschinen Service GmbH», samt einer happigen Rechnung über 3800 Franken und einer «Bestätigung unserer Vereinbarung». Angeblich für die Erstellung einer Internetseite. Dazu ein Vorschlag, wie diese aussehen könnte. Dieser wirkt wie ein schlechter Scherz: Die Textelemente seien von der bestehenden Homepage ihres Geschäfts kopiert worden, berichtet die Inhaberin des KMU. Das Teamfoto – ein Bild von der Fasnacht, notabene, auf dem alle verkleidet sind – habe man aus Instagram rauskopiert und über den Text gestellt.

Was gilt rechtlich?

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Dass es dubiose Telefonverkäufer gerne auch auf Firmen abgesehen haben, ist kein Zufall: Bei Geschäftsverträgen aus sogenannten Haustürgeschäften, dazu zählt auch ein Anruf, hat man nämlich kein Widerrufsrecht. Es schützt nur die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie können innerhalb von 14 Tagen wieder vom Vertrag zurücktreten. Grundsätzlich seien auch mündliche Verträge rechtlich gültig und verbindlich, sagt SRF-Rechtsexpertin Raphaela Reichlin. Aber damit ein Vertrag auch vor Gericht standhält, müsse eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Besonders wichtig: «Die Vertragsparteien müssen sich in den wesentlichen Vertragspunkten einig sein. Etwa bei der Leistung oder beim Preis», erklärt die Rechtsexpertin. Ohne Einigung komme kein Vertrag zustande.

Umgehend bestreitet sie es schriftlich, je am Telefon einem Vertrag zugestimmt zu haben. Sie macht das per Mail und auch noch mit einem eingeschriebenen Brief. Doch es nützt nichts. Es folgt eine Mahnung und mit den Mahngebühren klettert die Forderung auf rund 4000 Franken. Dazu kommen zahlreiche Telefonanrufe aus Deutschland, welche die Chefin und ihre Mitarbeiterinnen aber unbeantwortet lassen. Schliesslich sperren sie die Nummer.

Denen gebe ich mein Geld sicher nicht.
Autor: Inhaberin Coiffuregeschäft

Dass man mit solch aggressiven und höchst fragwürdigen Methoden, KMU über den Tisch zu ziehen versucht, findet die Chefin das Hinterletzte und für sie ist klar: «Denen gebe ich mein Geld sicher nicht.»

Als sie im Internet über die «Suchmaschinen Service GmbH» nachforscht, findet sie mehrere Warnbeiträge. Auch gibt es in ihrem Bekanntenkreis weitere Betroffene. Eine davon, auch sie führt ein Coiffeur-Geschäft im Raum Zug, wehrt sich ebenfalls und kann die Forderung auf 2500 Franken herunterhandeln. Das habe sie aber schliesslich gezahlt: «Es war mir schlicht peinlich, dass mir das passiert ist, und ich wollte die Sache so schnell als möglich vom Tisch haben.» Normalerweise sei sie bei solchen Telefonaten extrem vorsichtig und lasse sich auf nichts ein. «Aber die haben es sehr raffiniert gemacht.»

Solche Forderungen kurz schriftlich bestreiten und ja nichts zahlen!
Autor: Roland Rupp Chef Schweizerischer KMU-Verband

KMU-Verband empfiehlt: Forderung bestreiten, nichts zahlen

Roland Rupp, Chef des Schweizerischen KMU-Verbandes, kennt diese Suchmaschinen-Firma zwar nicht, aber zahlreiche ähnliche Fälle. Zur Masche gehöre es auch, dass solch dubiose Unternehmen mit Anwälten und einer Betreibung drohten, wenn die Opfer nicht zahlen würden. «Und oft zahlen diese dann aus Angst vor einer Betreibung», so Rupp.

«Espresso» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Dabei müsse man an sich nichts befürchten. Falls tatsächlich eine Betreibung eintreffe, könne man Rechtsvorschlag machen. In der Regel stelle sich dann heraus, dass die Betreibung nicht gerechtfertigt sei. Und dann könne man deren Löschung beantragen, erklärt der KMU-Verbandspräsident. Deshalb lautet sein Rat: Solche Forderungen kurz schriftlich bestreiten und «Ja nichts zahlen!»

«Espresso» hat die «Suchmaschinen Service GmbH» auf verschiedenen Kanälen zur Stellungnahme eingeladen. Das Unternehmen hat nicht reagiert.

Espresso, 26.01.23, 08:13 Uhr

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