Neben den Ozeanen sind intakte Regenwälder die wichtigsten CO₂-Speicher der Welt. Firmen wie der VW-Konzern zahlen für den Schutz von Regenwald und polieren so ihre CO₂-Bilanz auf. Mit dem Erwerb von Zertifikaten können sie ihren CO₂-Ausstoss kompensieren. So die Theorie, die Praxis sieht oft anders aus, wie ORF-Recherchen zeigen.
Brandrodungen im Schutzgebiet
«Rimba Raya» im Süden Borneos ist eines der grössten Waldschutzprojekte der Welt, zig Unternehmen aus den USA und Europa kaufen sich hier von ihren CO₂-Emissionen frei. ORF-Journalistin Vanessa Böttcher ist mit einem lokalen Umweltschützer in die Projektregion gefahren, sie ist grösser als der Kanton Basel-Landschaft.
Aber intakt ist der Regenwald nicht überall. Stattdessen riesige Flächen verkohlter Baumstämme. Satellitenaufnahmen zeigen das Ausmass der Zerstörung. Das passiere immer wieder, weiss Umweltschützer Habibi Mohammed: «Hier breitet sich die Palmölindustrie aus und vernichtete vor wenigen Monaten unzählige Hektaren Regenwald.»
Zutrittsverbot für lokale Fischer
Klimaschutzprojekte werden oft auch damit beworben, dass sie der lokalen Bevölkerung eine Verbesserung bringen würden. Die vom ORF interviewten Dorfvorsteher und Fischer profitieren offenbar nicht. Der 51-jährige Fischer Aswandi erzählt: «Man hat uns verboten, den Wald zu betreten. Früher wussten wir genau, was im Wald vorgeht, ob jemand illegal Feuer gelegt hat. Wir konnten so verhindern, dass sich ein Feuer ausbreitet. Das können wir jetzt nicht mehr tun.»
Dorfvorsteher Hasan Efendi beurteilt das Kompensationsprojekt in der Nähe seines Dorfes sehr skeptisch: «Die Projektbetreiber haben uns viel versprochen. Es hiess, dass wir am Verkauf der CO₂-Zertifikate mitverdienen, dass Jobs geschaffen, eine Krankenstation und eine Schule gebaut werden. Alles leere Versprechungen.»
VW-Konzern zieht sich zurück
Volkswagen kompensiert keine Emissionen mehr über das Projekt «Rimba Raya». Der Automobilhersteller möchte von externen Kompensationsanbietern unabhängiger werden. VW setzt seit 2022 auf eigene Klimaschutzprojekte, mit mehr Kontrollen vor Ort.
Celina Künzel, die Verantwortliche für Klimaschutzprojekte bei VW, betont: «Wir kaufen nicht einfach günstige CO₂-Zertifikate, um uns reinzuwaschen. Wir haben einen Impact im globalen Süden.» Die VW-Klimaschutzprojekte hätten auch sehr viele Vorteile für die lokale Community.
Generell umstrittene Wald-Kompensationsprojekte
Welche Auswirkungen haben solche CO₂-Kompensationsprojekte konkret aufs Klima? Das ORF-Team trifft in Berlin die Biologin Jutta Kill, eine führende Expertin auf diesem Gebiet. Das Geschäft mit solchen Waldzertifikaten bringe dem Klima herzlich wenig, kritisiert die Biologin: «Zum einen beeinträchtigt der fossile Kohlenstoff, wenn er einmal freigesetzt wurde, das Klima auf Jahrhunderte und Jahrtausende. Dem steht aber ein Waldschutzprojekt gegenüber, wo der Betreiber nicht garantieren kann, dass der Kohlenstoff über solch einen langen Zeitraum gespeichert bleibt.»
Das bedeute, dass Waldschutzprojekte das Kompensationsversprechen oft nicht erfüllen könnten. Es sei ein unreguliertes System, bei dem viele Beteiligte ein Interesse hätten, nicht genau hinzuschauen: Projektbetreiber, Zertifizierer, Länder und Unternehmen.