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Klima kompensieren ist out Firmen sollen Beiträge leisten statt Zertifikate kaufen

CO2-Zertifikate sind in Verruf geraten. Der Markt ist stark geschrumpft, weil viele Projekte nicht hielten, was sie versprachen. Nun will der WWF, dass Unternehmen künftig Beiträge leisten an die Erreichung globaler Ziele. Geht das auf?

Der Markt der freiwilligen CO2-Kompensation ist geschrumpft : Der Wert der verkauften Zertifikate auf dem freiwilligen CO2-Markt ist im Jahr 2023 um über 60 Prozent geschrumpft auf noch gut 700 Millionen US-Dollar. Das Problem: Viele Unternehmen haben den Glauben an die Zertifikate verloren. Diese kosten oft nur ein paar Dollar pro Tonne CO2, die Projekte dahinter haben aber allzu oft die versprochenen CO2-Reduktionen nicht erreicht. Zudem monierten Kritiker, die Zertifikate würden Greenwashing fördern, da Unternehmen fälschlich behaupten, sie seien «klimaneutral».

WWF setzt auf «Beiträge» zur Erreichung von globalen Zielen : Die Stiftung myclimate hat als erste ihre Kommunikation gerändert und spricht seit zwei Jahren nicht mehr vom Kompensieren, sondern von «Beiträgen» an den Klimaschutz. Daran anknüpfend will die Umweltorganisation WWF die Klimafinanzierung von Unternehmen neu aufstellen. Lene Petersen, Expertin für Klima und Wirtschaft beim WWF meint: «Wenn sich das Engagement rein darüber bemisst, wie teuer ein Zertifikat ist, kann es nicht funktionieren. Darum schlagen wir vor, dass man da eine Entkopplung macht, dass Unternehmen pro ausgestossene Tonne CO2 einen Beitrag bezahlen an die Erreichung der globalen Klimaziele.»

KI-Generiertes Bild auf dem Ackerbau, Energieproduktion, Biodiversität und Hi-Tech harmonisch koexistieren..
Legende: Bei der idealen Klimafinanzierung gehen Naturschutz, Bevölkerung und Technik Hand in Hand. KI-Bild: ChatGPT/SRF

Neues Modell ist ehrlicher aber teurer: Idealerweise bezahlt ein Unternehmen laut dem WWF pro Tonne CO2 so viel wie der Ausstoss einer Tonne tatsächlich kostet. Gemäss aktuellen wissenschaftlichen Schätzungen sind das zwischen 200 und 250 Franken – also mindestens 10 Mal mehr als bisherige CO2-Zertifikate. Lene Petersen vom WWF räumt ein: «Es gibt natürlich viele Unternehmen, die können sich nicht leisten, für ihre ganzen Emissionen solche Preise zu bezahlen. Diese können aber auch mal mit den betrieblichen Emissionen starten». Klar ist, gegen aussen können Unternehmen, die so Klimaschutz machen, ihr Engagement nicht mehr so attraktiv verkaufen wie bisher. Die Aussage «klimaneutral» habe zwar gut getönt, die öffentliche Kritik an gewissen Projekten habe aber dazu geführt, dass sie auch bei guten Projekten nicht mehr überzeugt habe, relativiert Irina Ignat, Marketing-Leiterin bei der Stiftung myclimate.

Wohin die Klimaschutz-«Beiträge» fliessen : Myclimate setze weiterhin auf ihre bestehenden Projekte zur Reduktion von Treibhausgasen. Diese hätten sich bewährt. Nur das Versprechen, das myclimate abgebe, habe sich geändert. Auch der WWF will bestehende gute Klimaschutz-Projekte mit dem neuen Modell unterstützen. Zusätzlich solle aber eine neue ganzheitliche Art von Projekten gefördert werden. Projekte, die neben dem Klimaschutz auch den Erhalt der Biodiversität berücksichtigen und die Lebensgrundlage der betroffenen Bevölkerung stärken sollen. «Solche Projekte sind heute schwierig umsetzbar in dieser Spirale, die möglichst viele Zertifikate generieren soll», meint Lene Petersen vom WWF.

Transparent und ehrlich: Der neue Ansatz tönt vielversprechend. Aus Sicht des Klimaschutzes ist jeder zusätzliche Franken von Unternehmen nötig. Ob das Modell des WWF tatsächlich zieht, wird sich weisen. Bei myclimate heisst es, die neue Kommunikation überzeuge bisherige Kunden sehr, neue zu gewinnen, sei aber nicht einfacher geworden.

SRF3 Wirtschaft, 9.1.2025, 17:40

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