Der Internationale Gerichtshof in Den Haag soll klären, ob das Völkerrecht die Staaten unabhängig vom Pariser Klimaabkommen zu Klimaschutz verpflichtet und ob diejenigen, die unter dem Klimawandel leiden, Schadenersatz fordern können.
Das Gerichtsverfahren geht auf eine Initiative des kleinen Inselstaates Vanuatu zurück, der vom steigenden Meeresspiegel in seiner Existenz bedroht ist.
Schweiz gegen Schadenersatz
Für die Schweiz ergreift in Den Haag Franz Perrez, Direktor der Direktion für Völkerrecht im Aussendepartement (EDA), das Wort. Die Schweiz sehe nicht, dass Staaten aufgrund des Völkerrechts zu Schadenersatzzahlungen wegen des Klimawandels gezwungen werden könnten, sagte er im Vorfeld.
Meist sei zum Beispiel nicht klar, welcher Anteil eines Schadens tatsächlich durch den Klimawandel verursacht sei. «Wichtig ist aus Sicht der Schweiz, dass das Klimaproblem nicht durch Schadenersatz, sondern durch die Vermeidung gegenwärtiger und künftiger Emissionen vermieden werden muss.»
Zustimmung bei Verantwortlichkeit
Anders als beim Schadenersatz stimmt die Schweiz der grundsätzlichen Verantwortung der Staaten zu. Perrez sagt es so: «Seit dem Vorliegen des ersten Berichts des Weltklimarates 1990 wissen die Staaten um die Gefahr, dass ihre Treibhausgasemissionen Klimaschäden verursachen können.»
Seit damals hätten sie daher die Pflicht, dies zu vermeiden. Diese Pflicht bestehe unabhängig von und zusätzlich zu den Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen, so Perrez.
Über 10’000 Seiten an Rechtseingaben sind bei den Richterinnen und Richtern in Den Haag eingegangen. Der St. Galler Völkerrechtsprofessor Thomas Burri hat sie verglichen. Jedes Land versuche hier, seine politischen Anliegen mit Argumenten des Völkerrechts zu untermauern, führt er aus.
«Ich glaube, das wichtigste Anliegen der Schweiz ist es, diejenigen Staaten in die Pflicht zu nehmen, die am meisten Emissionen tätigen – und die auch in den letzten zehn Jahren gewaltige Ausstösse hatten und diese noch erhöhen», sagt Burri. Die bestehenden Klimaabkommen, also auch das Pariser Klimaabkommen, täten dies aber nur unvollständig.
Klimaschutz ja – aber nicht über die «Menschenrechtsschiene»?
Dass die Schweiz das Völkerrecht beim Klimaschutz hochhalte, während sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Klimaseniorinnen als ungerechtfertigt kritisiert hat, sei dabei kein Widerspruch, meint Burri.
«Die Schweiz hat sich im Fall der Klimaseniorinnen nicht grundsätzlich gegen die Verpflichtungen des Völkerrechts gewehrt, den Klimawandel anzugehen. Sondern sie hat sich dagegen gewehrt, dass in dieser Hinsicht Individualansprüche der Weg sind, um die Sache zu lösen. Die Schweiz sagt: ‹Wir müssen das lösen.› Aber das läuft nicht über die ‹Menschenrechtsschiene›.»
Die Reaktion der Schweiz auf das Urteil zu den Klimaseniorinnen sei international gehört worden, betont der Völkerrechtler. Und sie sei jetzt im Klimaprozess in Den Haag beispielsweise von arabischen Staaten auch zitiert worden, um die Bedeutung des Völkerrechts zu reduzieren, stellt Burri fest.
Er begrüsst es deshalb, dass die Schweiz heute mit einem aus seiner Sicht konstruktiven Vorschlag im internationalen Rampenlicht steht.