Es ist die unglaubliche Geschichte eines Mannes, der sich von einem Gutachter hereingelegt fühlt und der kürzlich erfuhr, dass das Strafverfahren eingestellt wurde. Schon 2018 berichtete Kassensturz über das fehlerhafte ärztliche Gutachten.
Er hatte bei der Swisscom eine Kaderstelle und erlitt einen Nervenzusammenbruch und einen Herzinfarkt. Davon erholt er sich nicht mehr. Arbeiten ist nicht mehr möglich. Die Krankentaggeld-Versicherung schickt ihn zur Abklärung zu einem Psychiater der Gutachter-Firma PMEDA. Dort nimmt er das Gespräch heimlich auf. Mit der Tonaufnahme kann er später im Kassensturz aufzeigen, dass das Gutachten nicht mit der Aufnahme übereinstimmt. Im Gutachten kommen Tests vor, die der Psychiater gar nicht machte. Die Gutachter-Firma PMEDA sagt, ihr Gutachten sei sorgfältig erstellt worden. Wegen diesen heimlich gemachten Tonaufnahmen wurde gegen den Manager und den Redaktor eine Strafanzeige eingereicht – von einem PMEDA-Gutachter.
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Ein Jahr nach dem Kassensturz-Bericht erhielt der Ex-Swisscom-Manager doch noch eine IV-Rente von 940 Franken.
«Sie hören gar nicht richtig zu»
Jetzt gehen vier weitere Betroffene an die Öffentlichkeit und berichten im Kassensturz von ihren Erfahrungen mit der Gutachter-Firma PMEDA: «Empathie spürst du bei diesen Gesprächen gar nicht. Absolut null», «mich dünkt es, sie hören gar nicht richtig zu» oder «der Umgangston ist ein Befehlston wie auf einem Army-Gelände.» PMEDA weist die Vorwürfe zurück: «Diese Abklärungen können für die Betroffenen unangenehm sein. Der Umgangston bei Untersuchungen der PMEDA ist deshalb stets zurückhaltend und professionell.»
Rémy Wyssmann ist Patientenrechts-Anwalt. Seine Kanzlei vertritt mehrere PMEDA-Patienten. «Wir haben gesehen, dass eine sehr grosse Anzahl bei den PMEDA-Gutachten immer Zulasten der Versicherten ist und nicht Zulasten der Versicherung. Das ist erklärungsbedürftig.» PMEDA bestreitet das: Es gebe «keine statistisch relevanten Zahlen», welche diese Aussage sachgerecht untermauern würden. So sei gemäss Bundesgericht der Schluss falsch, PEMEDA weise bei Arbeitsfähigkeiten eine «starke Abweichung zum statistischen Mittelwert» auf.
Der Ex-Swisscom-Manager reicht 2018 bei der Zürcher Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige ein. Gegen den Psychiater und den Chef der Gutachter-Firma. Im April 2023 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Der Anwalt des Ex-Swisscom-Managers ist enttäuscht: «Wir sind sehr überrascht gewesen von der Einstellungsverfügung. Das ist wirklich sehr unverständlich.» Jetzt hat er Beschwerde eingelegt. Die Oberstaatsanwaltschaft Zürich schreibt: «Wegen des nach wie vor laufenden Verfahrens können wir keine Fragen beantworten.»
Neun Strafverfahren laufen
Kassensturz weiss: Es laufen neun Strafanzeigen gegen PMEDA-Gutachter. Für sie gilt die Unschuldsvermutung. PMEDA schreibt: «Medizinische Gutachten werden laufend gerichtlich angefochten. Es geht um viel Geld. (…) Jede und jeder kann Strafanzeigen einreichen, auch wenn sie haltlos sind.» Es gebe bis heute keine Urteile, wonach sich PEMEDA-Gutachter in irgendeiner Weise fehlverhalten hätten. Der Ex-Swisscom-Manager ist am Boden: «Ich bin finanziell ruiniert und ich habe hohe Schulden.»