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«Die Uni hat Täter- statt Opferschutz betrieben.»
Aus Kassensturz vom 05.11.2024.
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Universität Basel Vom Professor sexuell belästigt – von der Uni im Stich gelassen

Zwei ehemalige Studentinnen fordern Transparenz und erheben schwere Vorwürfe gegen die Universität Basel.

Claudia Z. hat die Universität Basel weit hinter sich gelassen. Ihre potenzielle akademische Karriere wurde durch das Verhalten ihres Professors und der Universität Basel zerstört. «Es ist immer noch viel Wut da über den Schmerz, den ich erleben musste,» erzählt die ehemalige Studentin, die anonym bleiben möchte.

Es ist das erste Mal, dass sie über ihren Fall öffentlich spricht: «Es ist mir wichtig, dass die Öffentlichkeit erfährt, was passiert ist und aufgezeigt wird, wie die Universität Basel den Täter schützte.»

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Die für Claudia Z. traumatisierenden Erlebnisse haben Spuren hinterlassen, sie ist deswegen in Therapie.
Aus Kassensturz vom 05.11.2024.
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Professor missbraucht das Abhängigkeitsverhältnis

Auch die akademische Laufbahn von Petra F. endete wegen des Verhaltens eines anderen Professors der Universität Basel: «Er hat mein Studium und mein Doktorat zerstört», sagt sie.

Der Professor sagte, er möchte mit mir schlafen
Autor: Petra F.

Petra F. erlebt den Machtmissbrauch und das übergriffige Verhalten des Professors erstmals auf einer Studienreise, als sie noch in Deutschland studiert. Er ist an derselben Universität Professor und betreut ihre Masterarbeit. «Auf der Studienreise hat er damit angefangen, mir Komplimente zu machen, dann küsste er mich plötzlich und begann, mir an die Brüste zu fassen. Dann sagte er, er möchte mit mir schlafen,» erzählt Petra F.

Sie wehrt sich, doch der Professor akzeptiert die Zurückweisungen nicht und macht weiter, bis er den Widerstand der 18 Jahre jüngeren Studentin bricht. Es kommt zu sexuellen Handlungen.

Der Professor beginnt bald darauf, an der Universität Basel zu lehren. Er betreut weiterhin ihre Masterarbeit, er wird sie auch bewerten. Die Studentin ist in höchstem Mass von ihm abhängig.

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Petra F. erzählt, wie der 18 Jahre ältere Professor übergriffig wurde.
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Nach Abschluss der Masterarbeit erhält sie von ihm ein Angebot, zu promovieren. Er ist renommiert, eine Instanz auf dem Studiengebiet von Petra F., deshalb sagt sie schliesslich Ja. Für sie ist es die Chance auf eine akademische Karriere. Sie hofft, dass die Annäherungen aufhören.

Universität Basel unterliegt vor Gericht

Doch der Professor missbraucht seine Macht wieder. Das belegt der bisher unter Verschluss gehaltene Untersuchungsbericht, den «Kassensturz» mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz herausverlangt hat.

Die Uni Basel wehrte sich juristisch gegen die Herausgabe und lenkte erst ein, als das Appellationsgericht Basel-Stadt entschied, dass die Universität die Dokumente anonymisiert herausgeben muss.

Uni argumentiert mit Opfern, ohne mit ihnen zu sprechen

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«Kassensturz» verlangte 2020 Einsicht in die zwei Untersuchungsberichte und Abmahnungen in den Belästigungsfällen Claudia Z. und Petra F.

Die Universität lehnte das Gesuch jedoch «vollumfänglich» ab, «aus Schutz der Privatsphäre der Betroffenen.»

Nachdem die erste Instanz die Uni jedoch angewiesen hatte, die Dokumente herauszugeben, zog sie den Fall an das Appellationsgericht Basel-Stadt. In der 17-seitigen Beschwerde argumentiert die Uni insbesondere mit den «Interessen der Opfer»: Eine Herausgabe hätte für die Opfer schlimme Folgen, sie würden «retraumatisiert».

Allerdings: die Uni fragte die zwei Frauen gar nicht nach ihrer Meinung. Claudia Z. und Petra F. kritisieren dieses Vorgehen scharf: «Die Uni hat unsere angeblichen Interessen missbraucht, um die Fälle unter dem Deckel zu halten. Dieses Vorgehen verurteilen wir, die Uni betreibt damit Täterschutz. Denn wir sind ganz anderer Meinung: Das Ausmass der Taten muss sichtbar, die Berichte öffentlich gemacht werden.»

Der Untersuchungsbericht hält fest, dass der Professor im Fall Petra F. seine Stellung als Doktorvater ausnutzte, um sie zu «sexuellen Handlungen zu überreden».

Judith Wissmann Lukesch ist Arbeitsrechtsexpertin und spezialisiert auf interne Untersuchungen. «Kassensturz» bespricht mit ihr den Fall anhand des Untersuchungsberichts.

Das ist ein gravierender Fall.
Autor: Judith Wissmann Lukesch Arbeitsrechtsexpertin

Sie spricht von einem gravierenden Fall von Machtmissbrauch: «Der Professor nutzt die Abhängigkeit seiner Doktorandin aus, um sie dazu zu bringen, Nähe zuzulassen.»

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Expertin: «Der Professor nutzte seine Machtposition aus.»
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Doktorandin erhält keine Akteneinsicht

Petra F. bricht schliesslich ihr Doktorat ab und reicht 2018 Beschwerde ein. Doch im Verfahren erhält sie keine Akteneinsicht. Die Universität begründet dieses Vorgehen damit, dass Petra F. keine Akteneinsicht verlangt habe. «Das ist ein absolutes No-Go», sagt Judith Wissmann Lukesch zu diesem Vorgehen, «Petra F. ist Partei in diesem Verfahren und muss Akteneinsicht erhalten, ohne danach zu fragen.»

Das Resultat der Untersuchung erfährt Petra F., nachdem 2019 der Fall publikwird. Doch den Abschlussbericht und die Abmahnung an den Professor erhält sie erst durch die Recherchen von «Kassensturz».

Professor will seine 25 Jahre jüngere Studentin küssen

Zum Fall Claudia Z.: 2015 erhält sie die Chance, Hilfswissenschaftlerin ihres Professors zu werden. Er ist 25 Jahre älter als sie und beginnt bald, körperliche Nähe zu ihr zu suchen: «Er hat von Beginn weg ein nahes Verhältnis aufgebaut. Er hat mich oft unnötigerweise angefasst, wie etwa seine Hand auf meinem Rücken platziert oder mich zur Begrüssung umarmt oder Küsschen auf die Wangen gegeben. Auch per E-Mail hat er Grenzen überschritten», erzählt Claudia Z.

Der renommierte Professor nimmt Claudia Z. im Rahmen einer Buchpublikation mit nach Berlin. Er schlägt vor, in einer Ferienwohnung zu übernachten, das sei günstiger als ein Hotel. «Am letzten Tag kam es zu körperlichen Annäherungsversuchen von seiner Seite», erinnert sich die ehemalige Studentin, «dann, am späteren Abend, sagte er dann völlig aus dem Nichts, dass er mich küssen möchte.»

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Claudia Z. ist schockiert über das Verhalten ihres Professors
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Claudia Z. ist schockiert. «Ich antwortete mit Nein, worauf er antwortete, ich sei halt eine schöne junge Frau. Weil wir erst am nächsten Morgen abreisten, musste ich noch eine Nacht dort mit ihm verbringen. Es war schrecklich.» Dass sie in diesem Moment Nein sagen konnte, das sei ihr heute noch wichtig.

Judith Wissmann Lukesch sagt, dass der Professor seine Macht missbrauchte: «Aus juristischer Sicht handelt es sich hier um sexuelle Belästigung.»

Aus Angst vor negativen Folgen reicht Claudia Z. erst Beschwerde ein, nachdem sie die Uni Basel verlassen hat, 2019.

Als das Beschwerdeverfahren beginnt, nimmt sich der Professor einen Anwalt, doch Claudia Z. hat die finanziellen Mittel nicht für eine Anwältin.

Jobverlust nach sexueller Belästigung

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SRF Data und Kassensturz haben 194 rechtskräftig abgeschlossene Fälle seit 1992  analysiert. Die Fälle basieren auf einer Erhebung der Uni Bern, welche jährlich alle Gerichte und Schlichtungsstellen bezüglich Gerichtsfällen im Bereich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz abfragt und auf Gleichstellungsgesetz.ch publiziert.

Die Auswertung zeigt Alarmierendes: In 75 Prozent der Fälle haben die Betroffenen, meist Frauen, den Job verloren (ihnen wurde gekündigt oder sie haben von sich aus gekündigt).

Judith Wissmann Lukesch bestätigt dieses Ergebnis: «Solche Belästigungen sind für Betroffene oft traumatisch, deshalb ist es für sie oft unmöglich, in einem solchen Umfeld weiterzuarbeiten.»

Kritik am Vorgehen der Universität

Die Uni will ihr keine Zusage für die Kostenübernahme machen: «Die Universität Basel übernimmt nur dann die Anwaltskosten, wenn sich Anschuldigungen als berechtigt erweisen», schreibt Mediensprecher Matthias Geering auf Anfrage von «Kassensturz».

Judith Wissmann Lukesch kritisiert dieses Vorgehen: «In einem solchen Machtgefälle wäre es zwingend, dass die Universität als Teil ihrer Fürsorgepflicht die Kosten von Beginn weg übernimmt.»

So erklärt sich die Universität Basel

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Matthias Geering, Mediensprecher der Universität Basel, beantwortet schriftlich die Fragen von Kassensturz.

Warum argumentiert die Universität in ihrer Beschwerde mit den «Opfern», ohne mit ihnen gesprochen zu haben?

Matthias Geering: Wie vom Gesetzgeber (…) vorgesehen interpretiert die Universität die Verordnung so, dass der Schutz der Privatsphäre der betroffenen Personen grundsätzlich höher zu gewichten ist als das öffentliche Interesse (…). Dies vor allem, weil es sich beim Einsichtsgesuch um besondere Personendaten handelt. Daraus folgt auch der grundsätzliche Hinweis auf die «Reviktimisierung» oder «Retraumatisierung».

Warum erhielt Petra F. als Beschwerdeführerin keine Einsicht?

Die Universität Basel hat keine Kenntnis davon, dass die Beschwerdeführerin Akteneinsicht gewünscht hat bzw. ihr diese unzulässigerweise verweigert wurde.

Warum kommunizierte die Universität weder die Untersuchungsergebnisse noch die Konsequenzen für die Professoren?

Die Universität Basel kommuniziert generell keine personenbezogenen Untersuchungsergebnisse.

Die Universität wollte keine Zusage für die Kostenübernahme der Anwältin im Fall Claudia Z. machen. Warum nicht?

Die Universität Basel übernimmt nur dann die Anwaltskosten, wenn sich Anschuldigungen als berechtigt oder nicht offensichtlich als nicht nachvollziehbar erweisen.

Warum musste Claudia Z. eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschreiben, um Akteneinsicht zu erhalten?

Diese hatte zum Inhalt, dass im laufenden Verfahren die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden mussten und die Akten nicht an Dritte weitergegeben werden durften. (…) Dieses Vorgehen wurde von der externen Untersuchungsperson explizit gewünscht und von der Anwältin von Claudia Z. nicht beanstandet.

Die zwei betroffenen Frauen haben die Universität Basel aufgrund des Verhaltens der zwei Professoren und der Uni verlassen. Was sagen sie dazu?

Die Universität Basel äussert sich nicht zu spezifischen Personalangelegenheiten.

Claudia Z. merkt, dass sie ohne Anwältin im Nachteil ist und holt sich trotz finanziellen Risiken eine Anwältin. Die Untersuchung führt eine externe Fachperson.

Akteneinsicht nur mit Verschwiegenheitsverpflichtung

Akteneinsicht erhält Claudia Z. nur unter der Bedingung, dass sie eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterzeichnet. «Das hat mich massiv unter Druck gesetzt, ich fühlte mich erpresst.» Schliesslich unterschrieb Claudia Z. die Verpflichtung, um das monatelange Verfahren endlich abzuschliessen.  

Die Universität übernahm die Anwaltskosten am Ende doch noch.

Schlussbericht: «Ein Schlag ins Gesicht»

Der externe Bericht kommt im Fall Claudia Z. zum Schluss, dass die sexuelle Belästigung nicht «zweifelsfrei» belegt werden könne, da es «keine Zeugen» gebe und «Aussage gegen Aussage» stehe. Ein Schock für Claudia Z.: «Während ich alles sehr detailliert beschrieben habe, hat er lediglich gesagt, dass er sich nicht erinnern kann. Das war ein Schlag ins Gesicht, da mir ganz klar gezeigt wurde, wessen Aussage höher gewichtet werden.»

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Claudia Z. kann nicht nachvollziehen, dass ihre detaillierten Aussagen angezweifelt wurden.
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Die Uni verwarnt jedoch den Professor schriftlich mit einer Abmahnung: Er habe «mehrfach die notwendige Distanz verletzt». Sie droht ihm im Wiederholungsfall mit der Kündigung.

Im Fall Petra F. wurde der Professor auch mit einer Abmahnung und Kündigungsandrohung verwarnt. Er betreut weiterhin Doktorandinnen an der Universität Basel, wie auch der andere Professor. Beide Professoren beantworten keine Fragen von «Kassensturz».

Der Fall der Doktorandin hatte Folgen

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«Die Universität Basel hat auf Grund des ersten Falls das Reglement zum Schutz der persönlichen Integrität überarbeitet und im Oktober 2020 verabschiedet. Es regelt die Verfahrenswege in Fällen von Diskriminierung, Mobbing und sexueller Belästigung. Im Herbst 2019 wurde die Koordinationsstelle für persönliche Integrität geschaffen. Im Dezember 2020 wurde ein Code of Conduct verabschiedet.

Im überarbeiteten, neuen Reglement ist festgehalten, dass die involvierten Personen den Untersuchungsbericht zur Kenntnisnahme erhalten. Im alten Reglement gab es dieses Vorgehen noch nicht.»

Matthias Geering, Mediensprecher Universität Basel

«Claudia Z.» und «Petra F.» sind Pseudonyme. Die richtigen Namen sind «Kassensturz» bekannt.

Espresso, 5.11,24, 8:10 Uhr;kobt

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