Lastwagen aus dem Ausland manipulieren offenbar die Abgasreinigungsanlagen (Adblue-Anlage). Dies ist mit einfachen und billigen Geräten aus dem Internet mit wenig Know How zu bewerkstelligen. Eine Stichprobe im Auftrag von «Kassensturz» durch Experten der Universität Heidelberg auf Schweizer Strassen zeigt: Bei einem Viertel der gemessenen ausländischen Lastwagen sind die NOx-Werte deutlich bis massiv zu hoch. Im Interview mit «Kassensturz» fordert Manuel Herrmann, Leiter Alpenschutzpolitik bei der Alpen-Initiative, gezielte Kontrollen, um diesem neuen Abgas-Skandal entgegenzuwirken.
Damit nimmt die Transportlobby in Kauf, die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner der Transitstrecken zusätzlich zu schädigen.
Manuel Herrmann, was sagt die Alpen-Initiative zu diesem bislang weitgehend unbekannten und offenbar verbreiteten Abgas-Betrug?
Manuel Herrmann: Gerüchte über Abgasmanipulationen durch Lastwagentransporteure waren schon vorher im Umlauf. Im Internet finden sich Videos, wie solche AdBlue-Killer eingebaut werden können. In Internetshops ist es kein Problem, so einen Emulator aus China oder Polen zu bestellen. Und er kommt auch in der Schweiz an, wir haben das selber getestet.
Wirklich überrascht aber bin ich über das Ausmass des Betrugs. Wenn die Messungen stimmen, so würde das bedeuten, dass ein beträchtlicher Teil der Transitlastwagen mit manipulierten Abgasanlagen unterwegs ist. Das Motiv kann nur sein: Kosten sparen. Damit aber nimmt die Transportlobby in Kauf, die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner der Transitstrecken zusätzlich zu schädigen. Ganz im Wissen darum, wie schädlich ungefilterte Abgase sind. AdBlue kostet etwa 75 Rappen auf 100 Kilometer! Es wird alles getan, um die Kosten zu drücken, bei den Löhnen, beim Unterhalt der Fahrzeuge, nun auch mit der Manipulation der Motoren.
Welche Konsequenzen hat dieses betrügerische Verhalten für die Umwelt?
Manuel Herrmann: Stickstoffdioxid ist Europas Luftschadstoff Nummer eins. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Stickstoffdioxid (NO2) Atemwegsprobleme und Atemwegserkrankungen verursachen sowie empfindliche Ökosysteme und Pflanzen nachhaltig schädigen. Bei Kindern wird zum Beispiel das Lungenfunktionswachstum verringert.
Wie gravierend diese AdBlue-Manipulationen sind, kann man daran ermessen, dass der Schwerverkehr für 33 Prozent des Stickoxid-Ausstosses auf den Transitachsen im Alpenraum verantwortlich ist. In den Alpentälern konzentrieren sich die Schadstoffe viel länger als im Flachland. Ausserdem wohnen die Leute in den Kantonen Tessin und Uri direkt an der Autobahn im Talboden. Die Lastwagen fahren den Leuten direkt vor der Nase vorbei. Dort riecht man nichts mehr von der frischen Alpenluft.
Die manipulierten LKW schaden nicht nur der Umwelt, die Lastwagenhalter prellen auch den Schweizer Staat. Wie hoch schätzen sie die Beträge, die dadurch der Allgemeinheit verloren gehen?
Manuel Herrmann: In der Schweiz zahlen moderne Lastwagen, die in einer hohen Abgasklasse (Euro-Norm) eingestuft sind, weniger LSVA als ältere Lastwagen, die viel mehr Schadstoffe ausstossen. Die Manipulationen haben also drei Folgen:
Ich staune über die Untätigkeit der Behörden.
Erstens wird die Luft verschmutzt. Zweitens betrügt der LKW-Unternehmer bei den Kosten für den Transport und macht ihn billiger, als er eigentlich wäre - indem er Adblue spart. Und drittens: Weil der Lastwagen gemäss der höchsten Euro-Kategorie eingestuft wird statt in der tiefsten, betrügt er auch direkt den Staat: Er zahlt nicht die volle LSVA, die er bezahlen müsste. Dadurch sind der Schweiz wahrscheinlich Einnahmen in Millionenhöhe entgangen!
Welche Massnahmen seitens der Behörden wären aus Ihrer Sicht nun nötig?
Manuel Herrmann: Ich staune über die Untätigkeit der Behörden, da der Verdacht schon länger die Runde macht und im Internet genug Informationen über solche Manipulationen zu finden sind. Aus der Sicht der Alpen-Initiative braucht es nun erstens gezielte Kontrollen entlang der Transitrouten und in den Schwerverkehrskontrollzentren. Der Bundesrat soll den Kantonen die nötigen Mittel dafür zur Verfügung stellen und die bestehenden Leistungsvereinbarungen anpassen. Zweitens muss der Bau eines Kontrollzentrums im Tessin endlich vorangetrieben werden, damit auch der Süd-Nord Verkehr kontrolliert wird.