Er beobachte das schon eine ganze Weile, schreibt ein Mann dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1. Einer seiner Arbeitskollegen komme sehr häufig zu spät zur Arbeit, oft ungepflegt. Er rieche unangenehm, verschwinde manchmal während der Arbeit und keiner wisse, wo er sei und was er tue.
Im Team wird deshalb schon gemunkelt. Hat der Mann ein Alkoholproblem? Während sich einige sorgen, ärgern sich andere, dass sie wegen der vielen Ausfälle zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. Ihm tue der Kollege leid, schreibt der «Espresso»-Hörer. «Wie kann ich ihm helfen? Ich möchte ihn auf keinen Fall beim Chef verpfeifen.»
Vorgesetzte dürfen nicht wegschauen
Laut Schätzungen der Fachorganisation «Blaues Kreuz Schweiz» haben zwei bis fünf Prozent aller Angestellten einen problematischen Umgang mit Alkohol. Oftmals ist bei Arbeitsunfällen Alkohol im Spiel und immer wieder kommt es vor, dass Arbeitsverhältnisse wegen Suchterkrankungen aufgelöst werden.
Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, die Gesundheit ihre Angestellten zu schützen und insbesondere Massnahmen zur Vermeidung von Unfällen zu ergreifen. Aus diesem Grund haben vor allem grössere Unternehmen Präventionsprogramme zur Verhinderung von suchtbedingten Unfällen und zur Reduktion von Arbeitsausfällen erarbeitet. Gefordert sind in diesem Rahmen vor allem Vorgesetzte.
Sie sollen Auffälligkeiten mit den Betroffenen so früh wie möglich ansprechen und gegebenenfalls Massnahmen prüfen. Was aber gilt für die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb? Rechtlich gesehen haben sie keine Pflicht, eine betroffene Person anzusprechen oder ihre Beobachtungen den Vorgesetzten zu melden. Viele sorgen sich aber um ihre Kollegin oder ihren Kollegen und möchten helfen.
Kolleginnen und Kollegen sind keine Therapeuten
Die Fachstelle «Sucht Schweiz» rät, das Gespräch mit der betroffenen Person zu suchen, seine Besorgnis auszudrücken und eigene Beobachtungen zu schildern, zum Beispiel mit: «Ich habe das Gefühl, dass es dir nicht gut geht.» Kolleginnen und Kollegen sollten jedoch keine Diagnosen stellen («Ich glaube, du hast ein Alkoholproblem …») und nicht versuchen, die betroffene Person zu schützen und etwa Aufgaben oder Verantwortung zu übernehmen.
Spricht die betroffene Person ihr Alkoholproblem an, können Fachstellen weiterhelfen. Leidet jedoch die eigene Arbeit unter den häufigen Ausfällen der betroffenen Person, sollten spätestens dann Kolleginnen oder Kollegen das Gespräch mit der vorgesetzten Person suchen.