Drei Monate war eine Angestellte aus dem Raum Bern-Mittelland nach einer Schulteroperation arbeitsunfähig. Bei ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz dann die böse Überraschung. Der Chef rechnet ihr vor, durch den Ausfall hätten sich auf ihrer Zeitabrechnung 85 Minusstunden angesammelt. Diese müsse sie im nächsten Jahr abarbeiten.
«Muss ich das akzeptieren?», möchte die Frau nun vom Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 wissen. Sie fühle sich für diese Minusstunden nicht verantwortlich.
Minusstunden nach Krankheit oder Unfall – dieses Problem kennen vielen Arbeitnehmende, die in Betrieben mit sogenannt schematischen Zeiterfassungsmodellen arbeiten. Solche Modelle gehen bei Teilzeitangestellten von einem täglichen Stundensoll aus – egal, wie der betreffende Angestellte tatsächlich arbeitet. Bei Krankheit wird im Zeiterfassungssystem auch das im System erfasste tägliche Stundensoll gutgeschrieben. Diese Berechnung ist kein Problem bei Teilzeitangestellten, die jeden Tag genau gleich viele Stunden arbeiten.
Krankheitstage müssen nicht nachgearbeitet werden
Wer jedoch wie die «Espresso»-Hörerin bei einem Pensum von 60 Prozent nicht jeden Tag oder jede Woche gleich viele Stunden arbeitet, bekommt im Krankheitsfall an einem Arbeitstag nicht die volle, sondern eine seinem Pensum angepasste Zeit gutgeschrieben. Statt acht Stunden pro Tag also nur sechs. Bei längeren Absenzen können sich so Minusstunden ansammeln. Das sollten Angestellte aber auf keinen Fall akzeptieren.
Denn: Laut Obligationenrecht haben Angestellte bei Krankheit oder Unfall Anspruch auf volle Lohnfortzahlung. Aus diesem Anspruch lässt sich ableiten, dass einem Angestellten im Krankheitsfall die Zeit so gutgeschrieben werden muss, wie wenn er gearbeitet hätte. Krankheit, Unfall oder Ferien dürfen nicht zu Minusstunden führen. Dies würde gegen das Gesetz verstossen.
Die «Espresso»-Hörerin muss ihre Minusstunden also nicht nacharbeiten. Der Arbeitgeber muss ihr diese Minusstunden auf der Zeitabrechnung korrigieren.