Wer einen Vertrag kündigen will, tut dies – vor allem aus Beweisgründen – meist schriftlich, mit eingeschriebenem Brief. Bei Mieterverträgen beispielsweise schreibt das Gesetz sogar ausdrücklich vor, dass eine Kündigung schriftlich erfolgen muss, damit sie gültig ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund mögen viele Sunrise-Kunden die Stirn runzeln. Auf der Website des Telekomanbieters ist zu lesen: «Alle Sunrise Abos müssen entweder telefonisch oder per Sunrise Chat gekündigt werden. Schriftliche Kündigungen per Briefpost, Fax oder Email sind nicht gültig und werden nicht mehr bearbeitet.»
Kunden müssen sich nicht alles gefallen lassen
«Ist so etwas rechtlich überhaupt haltbar?», schreibt ein Hörer dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1.
Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Im Gesetz finden sich keine Formvorschriften zu Telekommunikationsverträgen. Massgebend in solchen Fällen sind die einem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Vertragsbestimmungen.
Aber: Ein Anbieter kann nicht x-beliebige Regeln in solche Vertragsbestimmungen packen. Ungültig sind Bestimmungen, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass ein Kunde nicht mit ihnen rechnen muss oder wenn der Kunde durch eine Bestimmung unverhältnismässig benachteiligt wird.
Klausel verunmöglicht Beweis der Kündigung
Bei der Klausel zu den Kündigungen trifft gleich beides zu. Sie ist ungewöhnlich und missbräuchlich. Für Thomas Probst, Professor für Privatrecht an der Universität Fribourg, ist diese Klausel ungültig: «Es ist absolut unüblich, dass eine privatrechtliche Willenserklärung nur mündlich, nicht aber schriftlich vorgenommen werden kann.» Weil hier auch eine Kündigung per Mail ausgeschlossen sei, zielt die Klausel für Probst «offenbar darauf ab, dem Kunden den Beweis der Kündigung zu verunmöglichen.»
Für Thomas Probst ist die Klausel zudem missbräuchlich, weil sie gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstösst. Es dürfe nicht sein, schreibt Thomas Probst «Espresso», dass dem Kunden per Vertrag verunmöglicht werde, in einem Streitfall die Kündigung zu belegen.
Rechtsexperten rügen Sunrise
Trotz klarer Rechtslage will Sunrise an ihrer Praxis festhalten. «Wir sehen keine Benachteiligung für die Kunden», schreibt Sunrise. Man bestätige den Kunden die Kündigung per SMS, Mail oder auf Wunsch sogar schriftlich. Aus diesem Grunde will Sunrise an ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der darin enthaltenen Kündigungspraxis festhalten.
Zur Begründung verweist Sunrise auf ein Verfahren von der Ombudsstelle der Telekombranche. «In einem ausführlichen Entscheid vom August 2018 kam die Ombudscom zum Schluss, dass die Kündigungspraxis von Sunrise rechtmässig ist.» Dieser Darstellung widerspricht Oliver Sidler, der Ombudsman der Telekombranche. «Die Schlichtungsstelle kann keine Entscheide fällen, sondern nur Vorschläge unterbreiten», schreibt Sidler. Beurteilt würden immer konkrete Einzelfälle. In dem von Sunrise zitierten Fall sei die Änderung der Allgemeinen Vertragsbestimmungen gültig erfolgt. «Je nach Fallkonstellation kann die Einschätzung aber anders ausfallen», schreibt Sidler.
Die Experten sind sich einig: Sunrise-Kunden können ihre Verträge also weiterhin schriftlich kündigen, wenn sie dies nicht via Hotline oder Internet-Chat tun möchten. Weigert sich Sunrise, eine schriftliche Kündigung zu akzeptieren, so können Kundinnen und Kunden der Sunrise schriftlich oder per Mail mitteilen, sie werden nach Ablauf der Kündigungsfrist die Bezahlung weiterer Rechnungen verweigern und im Falle einer Betreibung Rechtsvorschlag erheben. Darüber hinaus können sich Kundinnen und Kunden an die Ombudsstelle für Telekommunikation wenden (Adresse siehe Linkbox «Mehr zum Thema»).