Die betagte Frau und ihr Mann kamen mit dem Schrecken davon. Die Seniorin erholte sich in einem Pflegeheim von einer Operation. Nach der Körperpflege – die Pflegefachfrauen hatten das Zimmer verlassen – versuchte sie, aus dem Rollstuhl aufzustehen.
Weil ihr die nötige Kraft dazu fehlte, stürzte die Frau. Verletzungen trug sie glücklicherweise keine davon. Doch ihr Mann ist verunsichert. «Man hätte meine Frau im Rollstuhl fixieren sollen, damit so etwas nicht passieren kann», findet er.
Patientinnen, Patienten dürfen nur in Ausnahmefällen fixiert werden …
Dass Patientinnen und Patienten in Alters- und Pflegeheimen zum Beispiel mit Bettgittern, Klingelmatten, Sendern, Schranken, verschlossenen Türen oder Liftcodes in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, ist an der Tagesordnung. Solche Eingriffe sind aber nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Geregelt sind diese Voraussetzungen im Erwachsenenschutzrecht im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB, Artikel 382 bis 387).
Konkret: Bewegungseinschränkende Massnahmen sind nur zulässig, wenn sich die Patientin oder der Patient nicht mehr orientieren kann, sich selbst oder andere stark gefährdet oder das Gemeinschaftsleben schwer beeinträchtigt.
Zudem muss eine bewegungsbeschränkende Massnahme immer verhältnismässig sein: Das bedeutet, die Verantwortlichen müssen die im konkreten Fall notwendige, aber am wenigsten einschneidende Lösung wählen. Unzulässig sind einschränkende Massnahmen aus Kostengründen, oder weil eine Patientin, ein Patient ständig nervt.
… und müssen angehört werden
Bevor eine bewegungsbeschränkende Massnahme umgesetzt wird, muss sie dem betroffenen Patienten erklärt werden. Dieses Gespräch muss mit jeder Patientin geführt werden. Auch mit Patientinnen und Patienten mit kognitiven Einschränkungen oder mit Menschen, die als urteilsunfähig gelten. Darüber hinaus müssen die Angehörigen informiert werden.
Pflegeeinrichtungen sollten Grundsätze erarbeiten
In welcher Situation eine Bewegungseinschränkung zulässig und – wie im oben genannten Beispiel– vielleicht sinnvoll wäre, ist schwierig zu beurteilen und muss individuell geprüft werden. «Bettgitter oder Gurte sind nicht immer eine gute Lösung», weiss der ehemalige Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein.
Wettstein ist heute Leiter der Fachkommission der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA) und in dieser Funktion häufig mit diesem Thema konfrontiert. «Es kommt immer wieder vor, dass sich vor allem demente Menschen aus einer Einschränkung zu befreien versuchen und sich dabei schwer verletzen», weiss er. Deshalb sei ein sorgfältiges Abwägen zwischen Nutzen und Risiken wichtig und sollte beim Eintritt einer Patientin oder eines Patienten besprochen werden.
Hardy Landolt, Professor für Pflegerecht, teilt diese Ansicht. Er rät Pflegeeinrichtungen, in ihren Betriebs-Reglementen allgemeine Grundsätze für bewegungsbeschränkende Massnahmen zu erarbeiten. «So können sie eine klare Vorstellung entwickeln, wie sie in solchen Situationen vorgehen können und dürfen».