Die Organisationen Tischlein deck dich und Schweizer Tafel sammeln bei Grossverteilern jene Lebensmittel, die aus Qualitätsgründen aussortiert werden müssen – beispielsweise, weil sie nächstens das Ablaufdatum erreichen. Diese Lebensmittel werden dann an Armutsbetroffene in der Schweiz verteilt.
Eine Freiwillige, die regelmässig für Tischlein deck dich arbeitet, stellt nun fest, dass insbesondere Kartoffeln offenbar sehr schnell «ausgestaubt» werden: «Bei uns werden einwandfreie Kartoffeln von Coop angeliefert und manchmal ist deren Abpackdatum nur wenige Tage her», wundert sich die Frau im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
Sie vermutet, dass Coop – und vermutlich auch andere Grossverteiler – viel zu viele Kartoffeln bestellen oder dass sie aufgrund von Abnahmeverträgen sehr grosse Mengen Kartoffeln entgegennehmen müssen, die dann nicht verkauft werden.
Frühkartoffeln sind noch nicht «schalenfest»
Coop weist den Vorwurf, dass zu viel bestellt werde, zurück. Mediensprecherin Sina Gebel sagt auf Anfrage: «Grundsätzlich bestellen wir die Menge, die wir auch verkaufen können. Die Mitarbeitenden in den Verkaufsstellen bestellen neue Produkte über ein automatisches Bestellsystem, das auf Basis von Erfahrungswerten Prognosen erstellt. Eine erneute Bestellung erfolgt erst nach Abverkauf der in der Verkaufsstelle vorhandenen Ware.»
So schlau diese Bestellsysteme auch sein mögen: Tatsache ist, dass trotzdem viele einwandfreie Kartoffeln aussortiert werden. Das liegt auch an den Fristen, wie lange Kartoffeln im Laden bleiben dürfen. Coop sagt dazu: «Normale Kartoffeln werden in der Regel nach spätestens zehn Tagen aussortiert. Bei den Frühkartoffeln geschieht dies bereits nach rund fünf Tagen, da diese Sorte aufgrund der fehlenden Schalenfestigkeit früher verdirbt.» Migros ist noch etwas strenger: Frühkartoffeln bleiben vier Tage im Laden, Lagerkartoffeln sieben Tage.
Aussergewöhnliches Kartoffeljahr
Diese Fristen sind laut dem Verband der Schweizer Kartoffelproduzenten VSKP plausibel. Im Laden seien die Kartoffeln häufig Licht und höheren Temperaturen ausgesetzt: Das führe zu einer weniger langen Haltbarkeit. Kartoffeln beginnen dann beispielsweise zu keimen oder werden schrumpelig.
Insbesondere Frühkartoffeln müssten wie Gemüse behandelt werden, da sie schneller verderben. In diesem Jahr sei das noch viel wichtiger als sonst, weil die Kartoffeln wegen des nassen Wetters im Frühsommer mit Wasser vollgesogen seien, sagt VSKP-Präsident Ruedi Fischer. «Frühkartoffeln sind deshalb noch heikler als sonst.» Wie sich das auf die Lagerkartoffeln auswirken werde, sei noch unklar, «macht uns aber Bauchweh». Ein weiteres Problem ist dieses Jahr die Kraut- und Knollenfäule: Diese Pilzkrankheit breitet sich bei feuchtwarmem Wetter sehr schnell aus und kann ganze Ernten innert weniger Tage vernichten.