Acrylamid-Test
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Krebserregendes Nebenprodukt beim Frittieren von Pommes frites
Alle Pommes-Stichproben erfüllen die behördlichen Anforderungen bezüglich Acrylamid. Diese sollen aber angepasst werden.
Autor:
Rolf Gatschet
05.09.2023, 18:53
Sie sind lang, kurz, dick, dünn, Wedges, Metzger-Frites oder Zündhölzli-Pommes. Und: Pommes frites werden als Hauptmahlzeit, als Begleitung zum Burger, als Snack zwischendurch und beim Ausflug mit Kindern serviert. Mindestanforderung: goldene Farbe und ein knackiger Biss.
Acrylamid gilt als kanzerogen und genotoxisch
Doch durch das Frittieren werden Pommes frites nicht nur knusprig, es entsteht auch Acrylamid. Eine Chemikalie, weiss und pulvrig in der reinen Form.
«Man braucht es in der Kunststoff- und Farbindustrie», sagt Gregor McCombie, Leiter Chromatografie beim Kantonalen Laboratorium Basel-Stadt und einer der Top-Experten in Sachen Acrylamid. Der Stoff gelte als potenziell kanzerogen und genotoxisch, also krebserregend und DNA verändernd.
Richtwert vs Grenzwert
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Ein Richtwert ist ein Messwert, den man einhalten und nach dem man sich richten soll. Es ist eine Empfehlung ohne Zwang, aber mit einem gewissen Nachdruck. Im Gegensatz zum Richtwert muss man einen Grenzwert unbedingt einhalten.
Wieso gibt es bei Pommes frites keinen Grenzwert, sondern nur einen Richtwert, bezüglich Acrylamid?
Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA schreibt «Kassensturz» dazu: «Die EFSA hat keinen gesundheitsbezogenen Richtwert, z. B. eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI), für Acrylamid in Lebensmitteln festgelegt. Der Grund dafür ist, dass Acrylamid und sein Hauptmetabolit Glycidamid genotoxisch und krebserregend sind. Da jedes Mass an Exposition gegenüber einer genotoxischen Substanz potenziell die DNA schädigen und zu Krebs führen kann, kamen die Wissenschaftler der EFSA in ihrem wissenschaftlichen Gutachten aus dem Jahr 2015 zu dem Schluss, dass es nicht angebracht ist, einen TDI festzulegen.»
Acrylamid entsteht aber auch, wenn man stärkehaltige Lebensmittel, Kartoffeln zum Beispiel, frittiert, brät oder röstet. Kurz: In Pommes frites, Pommes Chips oder Bratkartoffeln hat es Acrylamid. Aber auch im Toast, im Kaffee oder in Frühstückszerealien findet sich die Substanz. Je dunkler beziehungsweise brauner der Farbton, desto grösser die Chance auf mehr Acrylamid.
Tipps: Pommes frites selbst machen
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- Richtige Sorte Kartoffeln nehmen (auf der Verpackung ersichtlich).
- Kartoffeln richtig lagern (vor Licht geschützt, nicht unter 8° Celsius).
- Kartoffel-Schnitze vor dem Frittieren blanchieren.
- Pommes frites in zwei Schritten frittieren.
- Frisches Öl verwenden
- Mit tieferen Temperaturen frittieren.
- Bei dickeren Pommes frites mit mehr Wasser entsteht langsamer Acrylamid als bei dünneren.
- Ob mit oder ohne Schale spielt keine Rolle.
Alle Stichproben innerhalb des Richtwertes
«Kassensturz» und die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» wollten deshalb wissen, wie viel Acrylamid es in Pommes frites hat. An 18 verschiedenen Deutschschweizer Standorten wurden anonym je eine Stichprobe eingekauft; bei klassischen Fast-Food-Ketten wie McDonald’s, Burger King oder KFC, aber auch in Zoo-Restaurants, Badi-Beizli oder Museen.
Testtabelle zum Downloaden
Die Analyse eines akkreditierten Schweizer Labors zeigt: Alle 18 Stichproben halten den geltenden Acrylamid-Richtwert von 500 µg/kg für Pommes frites ein. Bei der Mehrzahl der Anbieter (13) ist der Wert unter 200 µg/kg. Vier Proben weisen einen Wert zwischen 200 und 300 µg/kg auf. Einzig die Pommes-Stichprobe aus dem McDonald’s Interlaken ist mit 446 µg/kg Acrylamid nah am Richtwert für genussfertige Pommes frites.
Schweiz will den Acrylamid-Richtwert senken
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV hat dennoch die Absicht, den Acrylamid-Richtwert für Pommes frites zu senken. So steht es im Entwurf der neuen Kontaminantenverordnung, der zur Unterzeichnung und Inkraftsetzung ansteht. Neu soll ein Richtwert von 200 µg/kg Acrylamid für Pommes frites gelten.
Die Senkung des Richtwerts geschehe auf Vorschlag der Kantone, die den Markt analysiert hätten, sagt Mark Stauber, Leiter Lebensmittelhygiene beim BLV. «Die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten ist aber auch mit dem heutigen Wert genug geschützt», so Stauber.
Stellungnahmen der Anbietern (bei Wert über 200 µg/kg Acrylamid)
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McDonald’s: «Wir setzen auf hochwertige Zutaten sowie klare Prozesse bei der Zubereitung bei unseren Lieferanten und in unseren Küchen, so dass unsere Gäste feine Burger und Pommes geniessen können.
Kartoffeln sind ein Naturprodukt und je nach Wetter, Boden sowie Zeitpunkt der Ernte kann die Beschaffenheit der Rohware variieren. Durch die Lagerung, Verarbeitung und Zubereitung unserer Pommes versuchen wir den Zuckergehalt der Kartoffeln optimal zu halten, doch durch die unterschiedliche Beschaffenheit der Rohware kann es zu kleinen Abweichungen kommen.
Wir prüfen unsere Produkte regelmässig, damit wir den gültigen Richtwert von 500 μg/kg jederzeit einhalten. Unsere Testreihe belegt, dass wir immer unter diesem Richtwert liegen. Meist sogar deutlich darunter, jedoch können auch einzelne Werte über 400 μg/kg vorkommen. Ein konstant tieferer Wert wäre anspruchsvoll, da es grundsätzlich Schwankungen gibt aufgrund der Rohware.»
KFC: «KFC sind die Schweizer, als auch die europäischen Grenzwerte von Acrylamid bekannt und deren Einhaltung wird kontinuierlich von KFC überwacht.
Die Schweiz gehört zur Westeuropäischen Business Unit von KFC; die Supply Chain für alle westeuropäischen KFC-Märkte wird zentral gesteuert. Das Monitoring aller Getreideprodukte bezüglich des Acrylamid Gehalts findet ein- bis zweimal jährlich statt, Kartoffelprodukte werden zweimal pro Jahr geprüft.
Das Monitoring und die Analyse der konsumbereiten Produkte wird für jedes einzelne Produkt durchgeführt, d.h. die Acrylamid-Gehalte von Schweizer Pommes frites werden zweimal pro Jahr geprüft.
Für die Bewertung der Ergebnisse gelten die europäischen Grenzwerte, sowie die lokalen Gesetzgebungen, d.h. für die Schweiz gilt aktuell der Grenzwert 500 mg/kg.
Durch eine Temperatur von <175°C des Frittieröls für die Pommes-Zubereitung und täglichen Checks und Vorbeugungsmassnahmen zur Aufrechterhaltung der Ölqualität, sowie Prüfung der Farbe der frittierten Pommes frites, wird das Risiko von Acrylamid-Bildung minimiert. KFC sensibilisiert die Restaurantbetreibenden bezüglich dieser Massnahmen.»
Marzili Lounge: «In Bezug auf den von der Marzili Lounge GmbH erzielten Wert von 216 Mikrogramm/Kilogramm möchten wir feststellen, dass wir stets bestrebt sind, die Qualität unserer Produkte zu verbessern und wie in der momentanen Situation die Einhaltung der geltenden Vorschriften sicherzustellen. Wir werden die geplanten Änderungen der Verordnung VHK aufmerksam verfolgen, um den vorgeschlagenen Acrylamid-Gehalt von 200 Mikrogramm/Kilogramm in unseren Pommes frites zukünftig auch ohne zwingende Verordnung zu unterschreiten, um somit die Gesundheit und Zufriedenheit unserer Kunden zu gewährleisten.»
Coop: «Der nachgewiesene Wert an Acrylamid liegt unter den aktuell geltenden gesetzlichen Vorgaben. Für die Zubereitung der Pommes frites verfügt Coop über interne Richtlinien. Den Gehalt an Acrylamid bei Pommes frites der Coop Restaurants untersuchen wir zudem regelmässig im Rahmen eines Monitorings.»
Die Schweiz nimmt mit der angedachten Senkung des Acrylamid-Richtwerts für Pommes frites eine Vorreiterrolle in Europa ein. «Das kann zu Problemen führen», sagt Mark Stauber. Stichwort: technische Handelshemmnisse. Andere Acrylamid-Werte, z. B. für Pommes Chips, Kaffee oder Zerealien, sind im neuen Verordnungsentwurf nicht angepasst worden.
«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert
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Vergolden – nicht verkohlen
Für zu Hause gilt die Faustregel: Je dunkler die Frites, desto mehr Acrylamid hat sich gebildet. Nur schon eine Minute länger im Öl (4 Minuten anstatt 5 Minuten) hat beim Selbstversuch den Acrylamid-Gehalt fast verdoppeln lassen. Es ist also ein Balanceakt zwischen goldig-knusprig und zu fest frittiert. Ganz grundsätzlich geben deshalb alle Experten den Tipp: Vergolden – nicht verkohlen.
Kassensturz, 05.09.23, 21:05 Uhr