Das Problem an bügelfreien Textilien: Der Begriff ist nicht geschützt. Zwar gibt es internationale Normen, die festlegen, wie viele Falten ein Stoff nach dem Waschen noch haben darf, um als bügelfrei zu gelten. Doch grundsätzlich kann jeder sein Hemd oder seine Bluse als «bügelfrei» verkaufen, sagt Vincenzo Montinaro, CEO des grössten unabhängigen Schweizer Textilveredlers Cilander. «Leider».
Es gibt keine Garantie
Auch Ralf Sontheim, Experte beim Schweizer Textilprüfinstitut Testex, macht gemischte Erfahrungen. Bereits mehrmals testete er bügelfreie Hemden oder Blusen und kommt zum Schluss: «Es gibt Produkte, die werden als bügelfrei bezeichnet, sind es aber nicht. Leider gibt es da keine Garantie». Es gebe aber schon Hemden und Blusen, die tatsächlich als bügelfrei gelten dürfen. Wichtig sei, dass man sie nach dem Waschen feucht aufhängt und am Bügel trocknen lässt.
«Kassensturz» testete vor einigen Jahren zehn Männerhemden von 30 bis 130 Franken. Das Resultat: Bei vielen konnte von bügelfrei keine Rede sein.
«Bis zu zwei Drittel weniger Zeitaufwand»
Ein weiteres Problem der Bezeichnung «bügelfrei»: Das sei bis zu einem gewissen Grad auch subjektiv, argumentiert Vincenzo Montinaro vom Textilveredler Cilander. Für einige lägen kleine Falten drin, für andere sei das inakzeptabel. Für Montinaro heisst bügelfrei deshalb, «dass ich mindestens 2/3 der normalen Bügelzeit einsparen kann».
Chemie macht Hemden glatter
Die Bügelfreiheit erreicht man, indem man die Baumwollfasern mit Kunststoff, genauer Kunstharz beschichtet. Bei diesem Prozess, der das Hemd glatter macht, entsteht übrigens auch der umstrittene Stoff Formaldehyd. Dieser gilt als umweltschädlich und möglicherweise krebserregend.
Weniger atmungsaktiv und steifer
In der Schweiz werden den Kunden mittlerweile bis zu 80 Prozent aller Hemden und Blusen als bügelfrei angedreht. Aber für diese Eigenschaft bezahlt der Konsument auch einen Preis: Der Stoff ist steifer, nicht so weich im Griff und weniger atmungsaktiv.
Vielleicht werden bügelfreie Kleider ja deshalb im südlichen Europa eher weniger geschätzt. «Am beliebtesten sind bügelfreie Hemden in Deutschland. Das ist übrigens das Land mit der grössten Hemdendichte in Europa. Je weiter südlich, desto weniger beliebt ist bügelfrei», sagt Montinaro.
Bügelfreiheit «wäscht sich aus»
Ein Hemd bleibt übrigens nicht ewig bügelfrei. Nach 30, 40 Waschgängen ist der Zauber weg. Und es ist leider auch nicht so, je teurer eine Bluse, desto bügelfreier. Deshalb der Tipp der Textilexpertin Andrea Hagmann von der Schweizerischen Textilfachschule STF: «Probieren Sie doch schon im Laden aus, wie fest ein Stoff knittert. Knüllen Sie ein Zipfel zusammen und beobachten Sie, ob sich die Falten danach wieder glätten oder nicht.»