1. Die Geburt
Der Samen eines Baumes löst sich und fällt zu Boden. Mithilfe von Wasser, Licht und Nährstoffen beginnt er zu keimen und schlägt Wurzeln. Eichen und Buchen haben ihre Sprösslinge gerne in ihrer Nähe – ihre Samen fallen direkt unter den Mutterbaum. Falls sie nicht von Tieren wegtransportiert werden, bleiben sie auch dort.
2. Wachstum
Der kleine Baum streckt sich dem Licht entgegen und wächst und wächst – als würde ein Kleinkind seine Umwelt das erste Mal entdecken. Vögel setzen sich auf seine Zweige und singen ihr Lied, Eichhörnchen turnen an seinen Ästen herum, Käfer krabbeln seinen Stamm hinauf, und der Wind bestäubt seine Blüten. Der Baum spendet Schatten, bietet Tieren Schutz und Nahrung, produziert Sauerstoff und speichert CO2. Eine ganze Menge davon: Eine 30 Meter hohe Eiche mit einem Durchmesser von 55 Zentimeter speichert zwischen fünf und sieben Tonnen CO2.
3. Reife
Aus dem Kind wird ein ausgewachsener Baum – bis er aber gross und stark ist, braucht er deutlich länger als ein Mensch. In einem bewirtschafteten Wald wird ein Baum nach etwa 100 bis 200 Jahren gefällt. In unserem Beispielzyklus lebt der Baum sein natürliches Leben und wird so immer grösser, dicker, älter und knorriger. Bis er schliesslich, etwa nach 400 Jahren, in Rente gehen darf.
4. Altersphase
Nun «erholt» sich der Baum von seinem wachstumsreichen Leben. In der Altersphase wächst er nur noch langsam, hauptsächlich kümmert er sich noch darum, seine eigene Energieversorgung aufrecht zu erhalten. Einige Bäume können so noch Jahrhunderte weiterleben. Dieses Alter erreichen in unseren Breiten jedoch nur noch wenige Baumarten, wie Linden und Eichen.
5. Tod
Nach einem fast tausend Jahre langen Leben stirbt der Baum schliesslich. Und lebt weiter als stehendes Starktotholz. Leblos ist der tote Baum nicht, im Gegenteil: In und um ihn herum beginnt es jetzt noch stärker zu wuseln und zu krabbeln.
6. Das Nachleben
Insekten- und Pilzarten, aber auch unzählige Bakterien sind an der Zersetzung des toten Baumes beteiligt. Das Holz wird dadurch oft hohler und leichter, bis es irgendwann bricht; der Baum kippt um oder fällt Stück für Stück in sich zusammen. Auf dem Boden wird das Holz feucht. Pilze vermehren sich unter dieser Voraussetzung rascher. Zu guter Letzt bleibt von diesem grossen, kräftigen Baum nur noch Humus übrig, in dem sich schliesslich Tausendfüssler oder Würmer tummeln. Je nachdem, um welche Baumart es sich handelt, dauert dieser Zersetzungsprozess mehrere Jahrzehnte.
7. Neues Leben
Nicht selten kommt es vor, dass auf einem toten umgefallenen Baum neue Bäume wachsen. In Berggebieten wächst fast jede zweite Fichte auf dem Stumpf eines toten Baumes. Dank dieser Erhöhung kommt der junge Baum zu mehr Sonnenlicht und ist schneller schneefrei. Zudem profitiert er von besonders nährstoffreichem Untergrund. Der junge Baum wächst und gedeiht. So schliesst sich der Kreis und die Geschichte kann wieder von vorne beginnen. Der Tod eines Baumes gehört zum Kreislauf des Lebens. Mehr noch: Ein toter Baum macht manches Leben gerade erst möglich. Mehr als 6'000 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten, also schätzungsweise ein Siebtel aller Arten in der Schweiz, sind auf Totholz angewiesen.