Letztes Jahr haben sie mir Schnittlauch und Peterli gemeuchelt, dieses Jahr sind Koriander und Sonnenblume unter Attacke. Für viele ein Grund, um hart gegen den Blattlausbefall vorzugehen. Ich jedoch mag sie, die kleinen Biester und bin so fasziniert von ihnen, dass ich sogar meine Doktorarbeit über sie schreibe.
Es gibt sie in allen möglichen Farben, über 300 Arten kennt man allein in der Schweiz. Nur wenige tauchen als lästige Schädlinge im Obst- und Gemüsegarten auf. Die meisten führen ein heimliches Leben, hoch oben in Baumwipfeln, am Wegrand oder sogar im Moos versteckt.
Schön und vermehrungsfreudig
Schaut man genauer hin, findet man an fast allen Pflanzenarten Blattläuse: Wollige, blau schimmernde Buchenläuse. Hellgrüne und rosa Erbsenläuse. Schwarz gepunktete Lindenblattläuse. Rote Kartoffelblattläuse. Alles kleine, bezaubernde Schönheiten. Probleme gibt es erst, wenn ihre grosse Vermehrungskapazität hinzukommt: Eine einzige Schwarze Bohnenlaus kann 70 Nachkommen produzieren. Hut ab!
Sex ist überbewertet
Diese hohe Anzahl Nachkommen ist nur möglich, weil Blattläuse im Sommer keine Zeit für Sex verschwenden. Statt sich begatten zu lassen, klonen sich die Weibchen, produzieren also nur Töchter. Damit alles noch schneller geht, fangen die Töchter schon im Mutterleib an, selbst Embryonen zu bilden. Bei einer solchen Vermehrungswut erstaunt es, dass es überhaupt noch Pflanzen ohne Blattläuse gibt.
Erfolgreiche haben viele Feinde
Wer in seinem Garten Raum für Nützlinge schafft, kann sich zurücklehnen und die Schlacht gegen die Blattläuse beobachten. Gefrässige Marienkäfer, Spinnen, Blattlausgallmücken und sogar Meisen machen sich über sie her.
Schwebfliegenlarven schaben die Läuse mit ihren Mundwerkzeugen aus. Florfliegenlarven spritzen Verdauungssekrete in die Läuse, um sie anschliessend leer zu saugen. Und winzige Schlupfwespen legen ihre Eier in den Läusen ab. Deren Larve frisst die Blattlaus von innen her auf – lebensnotwendige Organe zuletzt. Sich gegen so viele Feinde durchzusetzen, das braucht Cleverness.
Die Kunst, aus Pipi Gold zu machen
Mit ihrem weichen Körper sind Blattläuse schlecht gerüstet, sich zu verteidigen. Manche lassen sich fallen, wenn es gefährlich wird, andere treten nach ihren Feinden oder sondern ein klebriges Verteidigungssekret ab. Und dann gibt es noch jene, die sich mit Ameisen verbünden.
Der Handel: Die viel wehrhafteren Ameisen verjagen die Feinde; die Blattläuse spielen Milchkuh. Betasten die Ameisen mit ihren Fühlern den Rücken der Blattläuse, sondern diese zuckrig süsse Honigtau-Tröpfchen ab. Die Ausscheidungen der Blattläuse werden so zum nahrhaften Festmahl. Jetzt mal ehrlich: Wer setzt seine Ausscheidungen gewinnbringender ein als die Blattlaus?
Heimliche Honigproduzenten
Wegen des vielen Zuckers wird Honigtau klebrig, wenn er eintrocknet. Damit sie nicht am Untergrund kleben bleiben, müssen Blattlaus-Arten, die nicht mit Ameisen zusammenspannen, ihre Ausscheidungen anderweitig loswerden. Sie nutzen ihr Schwänzchen oder ein Hinterbein, um die Honigtau-Tröpfchen weit weg zu schleudern.
Wer je sein Auto während der Blattlaus-Hochsaison unter einer Linde parkiert hat, weiss, wie rasch es von einer klebrigen Schicht überzogen ist. Das sind Blattlaus-Ausscheidungen.
Der viele Zucker lockt auch Bienen an. Sie lecken den Honigtau von Tannen, Eichen oder Ahornbäumen und machen daraus sogenannten «Waldhonig». So profitiert nicht nur die Ameise, sondern auch ich von den süssen Ausscheidungen der Blattläuse.
Klein aber oho
Die kleinen, vermehrungsfreudigen Blattläuse spielen also eine grosse Rolle. Vögel, viele Insekten und sogar wir Menschen profitieren von ihnen. Das macht doch den einen oder anderen geplätteten Peterli wett, finde ich.