Deutsche Forscher haben einen neuen Ansatz gegen den Aids-Erreger HIV erfolgreich im Labor getestet. Die Wissenschaftler entwickelten eine Genschere, mit der sie das Erbgut der Viren aus infizierten Zellen herausschneiden. Dies könnte die HIV-Therapie möglicherweise in einigen Jahren bereichern. Allerdings birgt ein Erbguteingriff beim Menschen oft grosse Gefahren.
«Diese Forschung ist schon verheissungsvoll», sagte Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen Aids-Hilfe. Mit Blick auf angedachte Studien am Menschen ergänzte er: «Die Frage ist: Wen nimmt man da? Man braucht Menschen, die auch gewillt sind, für die Forschung Risiken einzugehen.» Bei Eingriffen ins Erbgut bestehe immer die Gefahr, mittel- oder langfristig an Krebs zu erkranken. Er gibt zudem zu bedenken: «Wenn es gelingt, heisst das noch nicht, dass die Patienten kein HIV mehr haben. Man braucht einen langen Atem.»
HIV aufspüren
Dass sich die Infektion bremsen, aber nicht heilen lässt, liegt daran, dass inaktive Viren sich in sogenannte Reservoirs zurückziehen. Stoppt die Therapie, können die Erreger wieder aktiv werden und sich vermehren. Daher konzentrieren sich viele Behandlungsansätze darauf, das im Erbgut von Zellen verborgene Provirus auch in den Reservoirs zu erreichen.
Das Team entwickelte dazu das Enzym Brec1 (broad-range recombinase 1), das die Viren-DNA im Erbgut infizierter Zellen erkennt und präzise herausschneidet. Diese Basenfolge sei in Laborproben bei 82 Prozent des häufigsten HIV-Subtyps 1 vorhanden, schreiben die Forscher. Damit komme der Ansatz grundsätzlich für mehr als 28 Millionen Patienten infrage.
Krebsrisiken bestehen
Die Forscher testeten die Genschere an sogenannten CD4-Zellen des Immunsystems. Zellschädigende Effekte beobachteten sie nach eigenen Angaben nicht.
Dennoch sei der Ansatz mit Risiken verknüpft, die sorgfältig gegen die Vorteile abgewogen werden müssten, betont das Team. Trage etwa eine Zelle Erbgut von zwei oder mehr Proviren, könnte die Genschere auch dazwischenliegende DNA entfernen – mitunter wichtige Gene, die etwa vor Krebs schützen könnten. Allerdings hätten Untersuchungen ergeben, dass dies eher selten sei.
Nun streben die Forscher eine erste Studie an Menschen in Hamburg an. Allerdings mahnen sie vor übertriebenen Hoffnungen: «Selbst fortgeschrittene Behandlungskombinationen können möglicherweise nicht jedes infizierte Zellreservoir erreichen», schreiben sie.