Harn-Inkontinenz ist ein verbreitetes Problem sowohl bei Frauen wie auch Männern. Schon lange ist bekannt, dass durchschnittlich jede vierte Frau daran leidet. Grund für die weibliche Überzahl ist ihre Anatomie: Die Harnröhre ist kurz und für einen ausreichenden Verschluss sehr auf einen straffen Beckenboden angewiesen. Der Beckenboden wird jedoch durch Geburten, Alter und damit einhergehendem Hormonmangel zunehmend schlaff und dichtet die Harnröhre nicht mehr genügend ab. Beim Husten, Niesen, Lachen oder körperlichen Anstrengungen verlieren betroffene Frauen nun Urin.
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Dem Mann spielt die Anatomie besser mit. Die Harnröhre ist länger und liegt günstiger, zudem wird der Beckenboden nicht durch Geburten und hormonelle Umstellungen strapaziert. Lange existierten – im Gegensatz zur Datenlage bei Frauen – zu der Verbreitung der Inkontinenz beim Mann überhaupt keine Zahlen. Erst gross angelegte Studien der letzten Jahre konnten zeigen: Auch bei 10 bis 30 Prozent der älteren Männer treten unfreiwillige Harnverluste auf.
Von Medikamenten bis zu Stromimpulsen im Rückenmark
Im Gegensatz zur Frau ist jedoch beim Mann meist die Prostata die Ursache dafür. Diese vergrössert sich mit zunehmendem Alter und sorgt für unterschiedliche Beschwerden im Harnbereich, die unter älteren Männern weit verbreitet sind: Schwierigkeiten beim Einleiten des Wasserlösens, schwacher Harnstrahl mit Nachträufeln, schnell einsetzender, starker Harndrang mit häufigen Toilettenbesuchen tagsüber wie auch nachts. Im Rahmen dieser Symptome kommt es häufig zu unfreiwilligem Urin in der Unterhose, also Inkontinenz. Auch wenn viele Männer den Arztbesuch scheuen – die Behandlung der Symptome ist meistens recht einfach. Sowohl die Prostata wie auch die gereizte Blase lassen sich oftmals durch Medikamente behandeln.
Zeigen diese ungenügenden Erfolg, kann die Prostata in einer kleinen Operation mechanisch oder mittels Laser verkleinert werden. Spätestens dann verschwinden die Probleme in den meisten Fällen. Führt jedoch all dies nicht zum Erfolg, gibt es immer noch weitere Optionen: Es kann versucht werden, die Blase mittels Injektion des Nervengifts Botulinumtoxin ruhig zu stellen. Wegen der beschränkten Wirkdauer des Botulinumtoxins müssen diese Injektionen jedoch regelmässig wiederholt werden.
Die andere Alternative ist der sogenannte Blasenschrittmacher. Hier werden in einer Operation Elektroden an die Rückenmarksnerven gebracht, welche durch ständige schwache Stromstösse die normale Funktion der Blase wiederherstellen sollen. In einer mehrwöchigen Testphase wird dabei ausprobiert, ob die Methode beim jeweiligen Patienten überhaupt eine Verbesserung bringt. Nur in dem Fall bekommt der Patient in einer zweiten Operation ein definitives Gerät eingesetzt. Ein Blasenschrittmacher stellt jedoch die absolute Ultima ratio dar und ist (vor allem beim Mann) nur sehr selten zur Heilung einer Inkontinenz notwendig.
Neue Methoden auch für Patienten nach Prostata-Entfernung
Zu einer grundlegend anderen Form der Inkontinenz kommt es beim Mann gelegentlich nach vollständiger Entfernung der Prostata, wie sie bei Prostatakrebs manchmal nötig ist. Diese Komplikation tritt in fünf bis zehn Prozent der Fälle auf und führt oftmals zu starker und für den Patienten sehr belastender Inkontinenz. Eine gewisse Vorbeugung ist dadurch möglich, dass schon vor der Operation ein intensives Beckenbodentraining gemacht wird, um den verbleibenden Schliessmuskel zu kräftigen – ein solches Beckenbodentraining gehört heutzutage zum Standard. Auch sinkt das Risiko mit zunehmender Erfahrenheit des Chirurgen.
Selbst wenn die Inkontinenz durch die Operation schon entstanden ist, kann ein Beckenbodentraining die Lage verbessern. Gelingt dies nicht, hiess es für Betroffene bis vor kurzem, lebenslang Windeln tragen. Seit einigen Jahren stehen jedoch in solchen Fällen eine zunehmende Zahl operativer Möglichkeiten zur Verfügung. Dies sind einerseits spezielle Bändchen, Schlingen oder Luftkissen, die man durch einen kleinen Hautschnitt so um die Harnröhre legt, dass sie wieder abgedichtet ist. Für ganz schwere Fälle gibt es komplette künstliche Schliessmuskel, die durch eine Pumpe im Hodensack geöffnet und geschlossen werden können. Diese neueren Operationsmethoden können auch Patienten helfen, die ihre Prostata-Entfernung schon vor Jahren hatten.