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Studien warnen Rotes Fleisch, böses Fleisch?

Rotes Fleisch steht im Verdacht, Krebs zu fördern. Wurstwaren sollen Herz-Kreislauferkrankungen begünstigen. Doch so leicht ist dieser Zusammenhang nicht herzustellen.

Fleischliebhaber bestellen ihr Entrecôte gerne «saignant», also blutig. Doch das, was Fleisch hauptsächlich rot macht, ist nicht etwa Blut, sondern ein Stoff, der im Muskel der Tiere enthalten ist: Myoglobin. Die eisenhaltige Substanz sorgt dafür, den Sauerstoff zu speichern. Rinder, Pferde oder Schafe haben viel Myoglobin im Muskel – am meisten aber haben Wale. So schaffen sie es, bis zu zwei Stunden nach dem Einatmen unter Wasser zu bleiben, ohne dass ihnen dabei der Sauerstoff ausgeht.

Das Myoglobin ist es auch, das Fleisch für uns Menschen zu einem wertvollen Nahrungsmittel macht: Das Eisen in dieser Form, häufig auch als Häm-Eisen bezeichnet, kann der Mensch besser verwerten als Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln.

Häm-Eisen als Krebsauslöser?

Doch Myoglobin alias Häm-Eisen rückte in den letzten Jahren zunehmend auch dann in den Fokus, wenn es um die dunklen Seiten des roten Fleischs ging. Es gilt als ein möglicher Faktor, der Darmkrebs begünstigen soll. Direkt ist dieser Zusammenhang allerdings nicht nachgewiesen.

Dass man überhaupt nach krebserregenden Stoffen im roten Fleisch sucht, hat mit den Ergebnissen grosser Beobachtungsstudien zu tun. Danach gibt es Hinweise, dass für Menschen, die viel rotes Fleisch oder auch Wurstwaren essen, das Risiko für Darmkrebs um bis zu 40 Prozent erhöht ist.

Deshalb auch die Empfehlung von internationalen Krebsforschern, den Konsum von rotem Fleisch auf weniger als 500 Gramm (gekocht) pro Woche zu beschränken. Dies entspricht ungefähr 750 Gramm rohem Fleisch.

Zweifel an Aussagekraft der Studien

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Allerdings ist die Aussagekraft der Studien, die als Grundlage für diese Empfehlungen herangezogen wurden, beschränkt. Sie basieren nämlich hauptsächlich auf der Auswertung von Fragebögen über Ernährungsgewohnheiten von Bevölkerungsgruppen. Über die Jahre hinweg wird unter den Studienteilnehmern immer wieder überprüft, woran sie erkranken oder sterben. Die Resultate werden dann statistisch ausgewertet und mit den erhobenen Lebensgewohnheiten oder – wie im Fall des roten Fleischs oder Wurstwaren – mit konsumierten Lebensmitteln in Beziehung gesetzt.

Unklare Abgrenzung von Fleischarten

Viele Ernährungswissenschaftler haben Vorbehalte, dass solcherart erhobene Daten als Grundlage für Ernährungsempfehlungen taugen. Denn Beobachtungsstudien zeigen zwar statistische Zusammenhänge auf. Aber sie erklären nicht, welche Mechanismen oder Ursachen dahinter stecken.

Ein weiteres Problem: Für die Auswertung der Studien werden oft verschiedene Lebensmittel gruppiert. Beim Fleisch zum Beispiel werden Rinds- und Lamm-, aber auch Schweinefleisch als rotes Fleisch zusammengefasst.

Doch gerade bei Schweinefleisch, dem meist konsumierten Fleisch in der Schweiz, ist umstritten, ob es überhaupt als rotes Fleisch gewertet werden darf. Der Eisengehalt von Schweinefleisch liegt im Bereich von Geflügelfleisch, also deutlich unter dem von Rind- und Lammfleisch. In Frankreich beispielsweise zählt Schweinefleisch zum weissen Fleisch.

Wurstwaren: Ursache unbekannt

Dasselbe gilt für Wurstwaren. Auch hier zeigen Studien, wie die kürzlich von der Universität Zürich veröffentlichte Epic-Studie, dass Wurstliebhaber statistisch gesehen eine tiefere Lebenserwartung haben als Menschen, die nur wenig Wurstwaren essen. Über die Ursachen dafür lässt sich nur spekulieren. Der Gehalt an Pökelsalz und tierischem Fett galten lange als Ursache für vermehrte Krebs- oder Herzkreislauf-Erkrankungen.

Beim nitrathaltigen Pökelsalz, das verarbeiteten Fleischprodukten zugesetzt wird, gibt es von verschiedener Seite zwar Erklärungen, wonach die daraus gebildeten Nitrosamine Krebsarten begünstigen. Allerdings stammen laut BAG im Durchschnitt nur sechs Prozent der konsumierten Nitratmenge aus Fleischprodukten. Gerade Vegetarier nehmen über grünes Blattgemüse viel mehr Nitrate auf, ohne dass bei ihnen vermehrt Krebs auftreten würde.

Auch tierisches Fett stand lange im Verdacht, einen hohen Cholesterinspiegel zu verursachen und so Herzkreislauf-Erkrankungen zu begünstigen. Mittlerweile sprechen viele Erkenntnisse gegen diese These.

Im Verdacht sind noch Stoffe, die beim Braten oder Grillieren von Fleisch entstehen. Auch hier ist nicht schlüssig geklärt, wieso bei weissem Geflügelfleisch in den Beobachtungsstudien keine schädlichen Effekte zu sehen sind, obschon dieses auch oft gebraten wird.

Am besten ausgewogen

Generell sind die errechneten Risiken beim Konsum von viel Wurstwaren und rotem Fleisch vergleichbar mit Risiken wie erhöhtem Körpergewicht, wenig Bewegung oder hohem Alkoholkonsum.

Grafische Darstellung des Eisengehalt der verschiedenen Fleischarten.
Legende: Eisengehalt der verschiedenen Fleischarten. Pierre-Alain Dufey/Agroscope

Die meisten Experten halten es mit den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE: keine einseitige Ernährung mit Fleisch oder Wurstwaren, sondern abwechslungsreich mit viel Gemüse und Früchten. Auch Fisch- und Milchprodukte liefern wertvolle Proteine oder B-Vitamine, die das Fleisch zu einem wichtigen Grundnahrungsmittel machen.

Die Eidgenössische Ernährungskommission EEK spricht sich in ihrer im November 2014 veröffentlichten Stellungnahme zur aktuellen epidemiologischen Datenlage generell für eine Reduktion des Fleischkonsums aus, insbesondere von rotem und vor allem von verarbeitetem Fleisch.

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