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Nähe und Distanz im Kinderheim Ex-Heimkind zu Betreuerin: «Für mich warst du wie eine Mutter»

Das Heim ist ein Zuhause auf Zeit. Wie eng soll das Verhältnis zwischen Kind und Betreuungsperson sein? Ein ehemaliges Heimkind und eine Sozialpädagogin erzählen.

Fast zehn Jahre lang hat Melanie Meier (41) die heute 25-jährige Carmen Lienhard betreut. Auch heute, Jahre später, haben die beiden noch Kontakt. Und sie wissen: «Unsere Beziehung ist eine Ausnahme.»

Carmen und Melanie sitzen sich im Studio gegenüber und sprechen miteinander.
Legende: Melanie Meier (r.) arbeitet heute als Kinesiologin und Teilzeit als Hortleiterin. Carmen Liendhard (l.) ist selbstständig und bietet Reiki und Breathwork-Sessions an. zvg

Damit meinen die beiden, wie nahe sie sich stehen. «Für mich warst du eine Art Mutter.» Vom Kindergarten bis zum Schulabschluss war Melanie Carmens Betreuerin. «Über eine so lange Zeit kann man eine viel tiefere Beziehung aufbauen, als sie sonst in diesem Kontext möglich ist», sagt die Sozialpädagogin.

Wie viel Nähe darf sein?

Der Kontext Heim ist es auch, der die Beziehung der beiden von einer Mutter-Tochter-Beziehung unterscheidet. Für Sozialpädagogin Melanie war es immer eine Gratwanderung: «Wie viel Beziehung geht man vom professionellen Verständnis her ein? Was ist angemessen, was nicht?»

Ich hatte weniger Angst, Dinge zu erzählen. Es war mehr Beziehung, gleichzeitig aber auch mehr Distanz da.
Autor: Carmen Lienhard Ehemaliges Heimkind

Man sei dadurch aber auch weniger emotional involviert und könne mehr auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen, sagt sie. Für Carmen sind es zwei verschiedene Welten, wenn sie an ihre eigene Mutter und Melanie denkt: «Ich hatte weniger Angst, Dinge zu erzählen. Es war mehr Beziehung, gleichzeitig aber auch mehr Distanz da.»

Diese Nähe und Distanz sind nicht durch Zufall entstanden. Vieles sei im Team und mit der Heimleitung abgesprochen worden. Beispielsweise, wenn ein Kind an Weihnachten allein bleiben würde. «In solchen Fällen wurde die Haltung von ganz oben bis ganz unten abgesprochen.»

Heimkind Carmen zusammen mit ihrer damaligen Betreuerin Melanie. Die beiden sitzen an einem Tisch in der Natur.
Legende: Zehn Jahre lang betreute Melanie als Sozialarbeiterin Carmen im Heim. zvg

Auch Carmen war einmal eines dieser Kinder. Sie durfte schlussendlich bei Melanie und ihrer Familie mitfeiern. Ein für sie bis heute prägendes Erlebnis: «Es hat mir ein Gefühl von Zugehörigkeit gegeben. Weihnachten war für mich immer etwas nicht so Schönes.»

Bis heute würde sie damit kämpfen, wenn sie in dieser Zeit überall dieses «Happy Family Life» sehe. «Doch an diesen Weihnachten bei dir und deiner Familie dachte ich wirklich: Das ist schön.»

SRF zwei, Life@SRF, 12.8.2024, 18:55 Uhr

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