Bei Redaktionsschluss für diesen Artikel fliegen David und Sibylle Graf mit ihren Kindern Melina (4) und Maurice (2) hoch über dem afrikanischen Kontinent Richtung Norden. Für einmal sitzt der Pilot nicht im Cockpit, sondern hinten in der Passagierkabine.
Wir gehen, wenn wir’s noch vermissen können.
Nach dreieinhalb Jahren Arbeit für das Non-Profit-Flugunternehmen «Mission Aviation Fellowship» (MAF) im Südsudan kehrt der Schaffhauser mit seiner Familie zurück in die Heimat. «Man kann gut ausbrennen hier und das wollen wir nicht», sagt er beim Video-Gespräch. «Wir gehen, wenn wir’s noch vermissen können.»
David Graf möchte in Zukunft in der Schweiz als Berufspilot fliegen, Sibylle Graf wieder als Pflegefachfrau arbeiten. Zudem sollen die Grosseltern ihre Beziehung zu den Enkelkindern pflegen können.
Familienleben hinter Mauern und Stacheldrahtzaun
Ihr Leben in der Heimat wird ganz anders sein als in Juba, der Hauptstadt Südsudans. Dort wohnte die Familie die letzten Jahre gemeinsam mit anderen ausländischen Mitarbeitenden der MAF in einem Compound, einer bewachten Wohnsiedlung hinter Mauern und Stacheldrahtzaun.
Dort gibt es fliessendes Wasser, Strom, einen kleinen Pool. Ausserhalb der Mauern leben die Menschen in bitterer Armut, holen ihr Wasser am Überlauf des Compounds. «Es ist mega schlimm, man könnte überall helfen. Das kann ich aber nicht», sagt Sibylle Graf. Es sei darum wichtig, zu schauen, in welchem Bereich die Hilfe wirklich einen Unterschied mache.
Einmal in der Woche besucht die 39-Jährige ein Kinderheim, in das sie Maurice und Melina mitnehmen kann. Dort erzählt sie Geschichten, singt Lieder mit den Kindern oder organisiert auch mal ein Geburtstagsfest mit Kuchen, Spielen und kleinen Geschenken für alle.
Kleiner Bewegungshorizont
Der Alltag von Sibylle Graf spielt sich an wenigen Orten ab – in und um den Compound, auf dem Markt, im Kinderheim. Die Sicherheitslage lässt Ausflüge nicht zu.
Viele Leute hier erleben Gewalt in ihrem Leben, darum ist die Hemmschwelle für Gewalt niedriger.
Es besteht die Gefahr von Raubüberfällen oder dass man zufällig in eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Gruppen gerät. «Viele Leute erleben Gewalt in ihrem Leben, darum ist die Hemmschwelle für Gewalt niedriger», erklärt Sibylle Graf. Sicherer fühlt sie sich, wenn sie mit Melina und Maurice unterwegs und so als Mutter erkennbar ist.
Kinder und Ziegen auf der Flugpiste
Anders als seine Frau kommt David Graf täglich im Land herum. Bereits um 8 Uhr morgens startet er zum ersten Flug. Im Auftrag verschiedener NGOs bringt er Hilfsgüter, aber auch Passagierinnen und Passagiere an entlegene Orte.
Viele Orte sind auf dem Landweg schlecht und in der Regenzeit gar nicht erreichbar. Der Südsudan ist zwar 15-mal grösser als die Schweiz, hat aber nur rund 300 Kilometer geteerte Strassen. Mit der Cessna landet er auf unbefestigten Pisten und muss darauf achten, dass sich weder Kinder noch Tiere darauf befinden. Das grösste Erfolgserlebnis für den 35-Jährigen ist jedoch, «dass wir einen Unterschied machen können». Etwa, wenn er nach Monaten wieder mit Malaria-Medikamenten im Gepäck landet und ihm die Ärztinnen und Ärzte freudestrahlend entgegenkommen.
Jetzt freuen sich die vier erst einmal auf ihre Familie. Und auf die Annehmlichkeiten in der neuen, alten Heimat: Joggen bei normalen Temperaturen, wie Sibylle Graf lachend sagt. Und auf Spätzli mit Rotweinsauce und einem guten Stück Fleisch, ergänzt ihr Mann.