In der neuen Fernsehsendung «Wie tickt die Schweiz?» müssen 100 Menschen verschiedene Fragen ehrlich beantworten. Im Anschluss an die Sendung wurde dieselbe Umfrage online auf srf.ch durchgeführt. Obwohl diese nicht repräsentativ ist, liefert sie spannende Einblicke in unsere Gesellschaft. Psychologin Sereina Venzin bewertet die Resultate.
1. Fast 50 Prozent haben schon mal in den Badezimmerschrank von jemand anderem geschaut
Den Badezimmerschrank oder Spiegelschrank im Bad könnte man als privat betrachten, doch die Hälfte der Teilnehmenden dringt in diese Privatsphäre ein – wenn sie unbeobachtet sind. Diese Menschen sind besonders neugierig und betreiben psychologisch gesehen eine Art «Sensation-Seeking». Sie wissen, dass sie es nicht tun sollten, machen es aber dennoch, da ihre Neugier geweckt wird und sie nach einem Kick suchen.
Hinzu kommt in diesem Fall, dass die soziale Kontrolle fehlt. Dies kann neugierige Menschen dazu verleiten, die Privat- oder sogar Intimsphäre zu überschreiten.
2. «Ich sage lieber nichts»
Man kennt es: Ständig gibt es Menschen in öffentlichen Räumen, die sich nicht ganz an die Regeln halten. Zwar tut es niemandem explizit weh, wenn aber jemand im ÖV die Füsse auf dem Sitz hat, ist es trotzdem nervig.
71 Prozent der Befragten machen jedoch nichts dagegen. Diese Menschen haben bei den sogenannten «Big Five»-Persönlichkeitseigenschaften höhere Werte in Verträglichkeit: Sie sind nett und harmoniebedürftig und denken sich: «Ich sage lieber nichts.»
Die 29 Prozent der Befragten, die reagieren, wenn sie etwas stört, haben eine geringere Ausprägung dieser Eigenschaft. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und kümmern sich weniger um die Meinung der anderen Fahrgäste – sie können besser für ihre Interessen einstehen.
3. Der Optimismus-Bias: Fluch oder Segen?
Es sind zwar nur 15 Prozent der Befragten, die regelmässig Rubbellose kaufen oder Lotto spielen. Bei ihnen kann man klar sagen: Sie überschätzen die Wahrscheinlichkeit, dass sie Glück haben. Das ist der «Optimismus-Bias».
Dieses Phänomen beinhaltet auch die Annahme, dass man weniger Pech als andere haben wird. Diese Wahrnehmung kann durchaus auch positiv sein und wird nicht nur von Lotto-Spielenden erlebt.
Der «Optimismus-Bias» ist wichtig für die Motivation – ohne Hoffnung auf Erfolg würden viele Vorhaben erst gar nicht angegangen.
4. Spieglein, Spieglein an der Wand ...
Als Psychotherapeutin habe ich oft mit Menschen zu tun, die ein negatives Selbstbild haben. Mich überrascht, dass sich so viele Teilnehmende schön finden, zumal wir Menschen dazu tendieren, uns auf Mängel zu konzentrieren, auch auf die vermeintlich optischen. Einen guten Bezug zu sich und seinem Äusseren zu haben, hat einen positiven Impact auf die psychische Gesundheit.
Ob tatsächlich mehr als 60 Prozent der Befragten dem Schönheitsideal entsprechen, ist unklar. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Mehrheit der Teilnehmenden sich mit ihrem Aussehen arrangiert haben und zufrieden ist.
Um einem negativen Selbstbild entgegenzuwirken, kann eine Spiegelexposition hilfreich sein. Diese lässt sich einfach in den Alltag integrieren. Wenn man morgens und abends vor dem Spiegel steht, nimmt man sich eine Minute Zeit, sich anzuschauen. Wer sich zu Beginn auf die vermeintlichen Mängel konzentriert, konzentriert sich danach bewusst mindestens so lange auf etwas, das ihm oder ihr gefällt. Dadurch wird das Negative relativiert und mit der Zeit freundet man sich immer mehr mit dem Spiegelbild an.