Vier Jahre ist es her, seit die Young Boys in der Champions-League-Qualifikation auf Roter Stern Belgrad trafen und am serbischen Meister scheiterten. Für Schlagzeilen im weltweiten Blätterwald sorgte aber nicht diese Tatsache, sondern die Art und Weise, wie die Serben ihren Erfolg feierten: Sie zogen mit einem Panzer durch die Strassen – ein T55, der im Jugoslawien-Krieg eingesetzt wurde.
Allein diese Episode reicht, um zu verstehen, dass Roter Stern Belgrad mehr ist als ein Fussballverein. Mag das Klischee, Sport und Politik hätten miteinander nichts zu tun, an manchen Orten stimmen. In Serbien und allen voran in Belgrad ist dies nicht der Fall.
Choreo mit einem Panzer
Erst diesen Sommer zeigten Fans von Roter Stern bei einem Freundschaftsspiel eine Choreografie mit einem Panzer vor den serbischen Landesfarben, darunter die Worte: «Wenn die Armee nach Kosovo zurückkehrt». Ein Affront. Und ein Vorbote für das, was momentan an der Grenze dieser beiden Länder geschieht.
Man fühlt sich zurückversetzt ins Jahr 1990. Damals trafen am 13. Mai in Zagreb mit Dinamo und Roter Stern Belgrad die besten Klubs Jugoslawiens aufeinander. Um Fussball ging es in diesem Spiel nicht. Es kam zu Ausschreitungen: Es war kein Kampf zwischen Roter Stern und Dinamo, sondern einer zwischen Serbien und Kroatien. Über 100 Menschen wurden verletzt.
Als ein am Boden liegender Dinamo-Anhänger von einem Polizisten angegriffen wurde, streckte Zagrebs Captain Zvonimir Boban besagte Sicherheitskraft mit einem Kung-Fu-Tritt zu Boden. Ein symbolischer Moment für all das, was noch folgen sollte. Mag dieser Augenblick auch nicht der alleinige Auslöser für den blutigen Bürgerkrieg sein, so steht er doch am Anfang vom Ende Jugoslawiens.
Von der Tribüne in den Krieg
Denn ein Jahr später fliegen nicht mehr nur die Fäuste. Die Hooligans von Roter Stern Belgrad melden sich bei der Armee und gehen an die Front. Rekrutiert werden sie von Zeljko Raznatovic, besser bekannt unter dem Namen «Arkan». Der stolze Serbe arbeitete einst für den jugoslawischen Geheimdienst, startete später eine kriminelle Karriere und war 1990 Sicherheitschef von Roter Stern – offiziell zumindest.
Tatsächlich war er der Anführer der Hooligans. Als der Bürgerkrieg ausbrach, stellte er eine paramilitärische Truppe auf. Seine Krieger, «Die Tiger», waren auch an der Schlacht um Vukovar und den anschliessenden Gräueltaten in der kroatisch-serbischen Grenzstadt beteiligt, bei denen ein Massaker an über 250 Zivilisten und Kriegsgefangenen verübt wurde und bei dem auch der eingangs erwähnte Panzer im Einsatz gestanden haben soll.
Sportlicher Erfolg und die Folgen der Teilung
All dies geschah nur kurz nach dem grössten Erfolg im jugoslawischen Fussball, als Roter Stern Belgrad 1991 das favorisierte Olympique Marseille im Final des Europapokals der Landesmeister bezwang und sensationell den Titel gewann. An die sportlichen Grosstaten scheinen sich die Anhänger heute aber weniger zu erinnern als an die kriegerischen Auseinandersetzungen.
Trotz Vormachtstellung in der heimischen Liga (zuletzt 6 Mal in Serie serbischer Meister) konnte der Verein nie an die Erfolge von damals anknüpfen. Die Qualität des Fussballs hat sich seit der Teilung des Landes verschlechtert. Nicht wenige fordern deshalb den Zusammenschluss der Ligen. Ein aufgrund der nach wie vor herrschenden Feindschaft ein nur schwer vorstellbarer Schritt.