Müsste man das Gefühl, das die Schweizerinnen in Dunedin seit dem Schlusspfiff des letzten Gruppenspiels umgibt, in einem Wort nennen – es wäre wohl «Erleichterung». Trotz der insgesamt schwächsten Leistung an dieser WM erkämpfte sich die Nati das angepeilte Achtelfinal-Ticket an der Frauen-WM in Australien und Neuseeland. Mit einem 0:0 gegen vom euphorisierten Heimpublikum angepeitschte Neuseeländerinnen.
«Mental war ich nach dem Spiel fertig», schildert Lia Wälti am Tag danach. Habe in der Kabine noch ein wilder Mix aus «Stille, Euphorie, Freude und tanzen» geherrscht, sei es beim Abendessen ruhig geworden. Ein krasser Kontrast zur vorangehenden Partie, so Wälti: «Man unterschätzt vielleicht von aussen, wie es zu spielen war. Sie wurden von ihren Fans getragen. Es war so laut, dass wir uns gegenseitig nicht mehr gehört haben.»
Es ist eine alte Sportweisheit, wonach die Offensive Spiele, die Defensive aber Turniere gewinnt. Betrachtet man die Gruppenphase als eigenes kleines Turnier, trifft dieses Bonmot für die Schweiz durchaus zu. Ob Caroline Graham Hansen, Hannah Wilkinson oder Sarina Bolden: Niemandem gelang es bislang, gegen die Nati zu treffen.
Eine WM-Vorrunde ohne Gegentor zu überstehen, das war zuvor erst Deutschland und Norwegen gelungen. Zugegeben, gegen die Norwegerinnen brauchte es eine überragende Gaëlle Thalmann, gegen Neuseeland einiges an Glück bei Jacqui Hands Pfostentreffer. Und doch, die Defensive ist bis dato das Prunkstück in Inka Grings' Equipe. Bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass mit Viola Calligaris und Luana Bühler zuletzt zwei Stammkräfte ausfielen und Noelle Maritz auf die eher ungewohnte Innenverteidiger-Position neben Julia Stierli rutschte.
Die Spielerinnen wissen es, und ich habe es ihnen auch gesagt: Im Achtelfinal können wir uns das nicht mehr erlauben.
Auch Trainerin Grings gibt sich am Tag nach der Achtelfinal-Qualifikation erleichtert und stolz. Um die Problematik, dass der Schweizer Angriff über das gesamte Neuseeland-Spiel glücklos agierte, kommt die Deutsche indes nicht herum: «Natürlich ist man unzufrieden, weil wir wiederum so viele klare Situationen hatten, die wir nicht gut gelöst haben. Die Spielerinnen wissen es, und ich habe es ihnen auch gesagt: Im Achtelfinal können wir uns das nicht mehr erlauben.»
Den letzten Pässen fehlte meist die nötige Präzision, zudem mangelte es am Mut, einfach mal draufzuhalten. Für die frühere Weltklassestürmerin Grings wohl besonders schwer zu ertragen. Doch sie relativiert angesichts des Gruppensieges: «Da klagen wir auf verdammt hohem Niveau.»
Im Nachhinein fragt keiner nach, wie wir es geschafft haben.
Das Erreichen der K.o.-Phase – es ist auch ein Zeugnis der Reife. Und das Ende des ehrenvollen Scheiterns. Wie etwa an der EM 2017, als man unglücklich von Frankreich aus dem Turnier geworfen wurde, oder bei der verpassten Quali zur WM 2019 (ein einziges Tor im letzten Spiel gegen Polen fehlte). In Wältis Worten: «Im Nachhinein fragt keiner nach, wie wir es geschafft haben.»
Wichtig für die Heim-EM
Der Einzug unter die letzten 16 ist auch mit Blick auf die Heim-EM in zwei Jahren von gewichtiger Bedeutung, da sind sich SFV-Präsident Dominique Blanc und Marion Daube, Direktorin Frauenfussball beim Verband, einig. Blanc betont: «Der Gruppensieg ist verdient und ein grosses Geschenk für den Schweizer Fussball.» Daube bezeichnet das Erreichen des gesteckten Ziels als «grosse Werbung» für die Euro zuhause. Man hoffe, die Euphorie in der Heimat so zu verstärken.
Doch zurück in die Gegenwart: In den Achtelfinal am 5. August geht die Schweiz als Aussenseiterin. Man darf gespannt sein, ob auf die «Erleichterung» die «Überraschung» folgt.