Rückblende: Wir schreiben den 7. Juli 2019. Im WM-Final zwischen den USA und den Niederlanden läuft die 61. Minute. Megan Rapinoe legt sich den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht und versenkt ihn schliesslich eiskalt. Es ist die Führung für die Amerikanerinnen, welche sich am Ende mit 2:0 durchsetzen und damit den 2. WM-Titel in Folge feiern.
Im mit Stars gespickten US-Team sticht Rapinoe speziell heraus. Und nein, es liegt nicht in erster Linie an ihrer violetten Haarpracht. Die Flügelspielerin wird in Frankreich Torschützenkönigin und zur besten Spielerin des Turniers gewählt. Auch abseits des Rasens sorgt sie für Aufsehen. Legendär ihre Aussage in Richtung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, dem sie ohne Umschweife mitteilt, dass sie im Falle eines Titelgewinns «auf keinen Fall in das verdammte Weisse Haus» gehen werde.
Der Rummel um Rapinoe reisst auch in der Folge nicht ab. Sie ziert Titelseiten, tritt bei Veranstaltungen auf, gibt Interview um Interview. So sehr sie selbst im Mittelpunkt steht, so stark setzt sie sich dabei für Minderheiten und gegen Ungerechtigkeiten ein. In der «Equal Pay»-Debatte geht die heute 38-Jährige als Wortführerin voran. Auch das Thema Rassismus liegt dem Linksfuss am Herzen. Sportlich schwingt sie ebenfalls obenaus: An der Fifa-Gala wird Rapinoe zur besten Spielerin des Jahres 2019 gewählt.
Keine Hauptdarstellerin mehr
Vier Jahre später ist vieles anders. Die Haare sind mittlerweile blau, im US-Team spielt Rapinoe nur noch die zweite Geige. In der Vorrunde durfte die Kalifornierin nie von Beginn weg ran, noch wartet sie auf ihren ersten Skorerpunkt. Und dies ausgerechnet bei ihrer letzten WM.
Vor der Endrunde hatte die Olympiasiegerin von 2012 bekannt gegeben, zum Ende der Saison zurückzutreten. Gut möglich, dass Rapinoe im Achtelfinal gegen Schweden zu ihrem finalen Einsatz auf dem WM-Parkett kommt. Denn die einstige Frauenfussball-Übermacht USA wankt an diesem Turnier bedenklich.
Von der Übermacht zum Wackelkandidaten
In den Gruppenspielen schoss das Team von Vlatko Andonovski nur vier Tore und musste den Gruppensieg den Niederlanden überlassen. Gegen Portugal stand man gar kurz vor dem Ausscheiden – ein solches Szenario war bis vor kurzem undenkbar. Schliesslich sind die USA an einer WM noch nie vor dem Halbfinal gescheitert.
Kommt es nun zur – aus amerikanischer Sicht unliebsamen – Premiere? Und verlässt damit nach Marta mit Rapinoe ein weiteres Aushängeschild die grosse Fussballbühne? Fragen, die am Sonntag beantwortet werden.