Lauren Hemp brauchte nicht einmal hinzuschauen, sie hatte den Ausgang der Situation schon im Kopf. Nach 86 Minuten totaler Präsenz auf dem Rasen besass die 23-jährige Engländerin noch die Energie, von der Mittellinie aus einen Lauf zu starten, sich leicht in die Mitte abzudrehen und blind ihre Sturmkollegin Alessia Russo auf rechts in Szene zu setzen. Russo traf zum 3:1 und zur Entscheidung im Halbfinal gegen Co-Gastgeber Australien.
«Unglaublicher Abschluss, unglaubliches Zuspiel», kommentierte Englands Coach Sarina Wiegman die Aktion im Anschluss. Wie bereits im Viertelfinal gegen Kolumbien (2:1) hatten Hemp und Russo in der Frontreihe je einmal getroffen. Dass genau dieses Duo die mit 7 Angreiferinnen im Kader gestarteten «Lionesses» durch die K.o.-Phase tragen würde, kommt indes etwas überraschend.
Mit ein Grund dafür ist Trainerin Wiegman. Die niederländische Taktikfüchsin hat Hemp, eigentlich dynamische Flügelspielerin, mehr ins Zentrum versetzt und sie so mit ihrer Übersicht, Laufbereitschaft und Kreativität zur noch grösseren Gefahr gemacht. «Es ist ein Albtraum, gegen sie zu spielen», umschrieb es Teamkollegin Ella Toone.
Was machen mit Tormaschine James?
Die neue Positionierung auf dem Feld brachte Hemp auch näher zu Russo, die zu Beginn des Turniers oft etwas verloren in der Spitze agierte und nur mit Flanken, nicht aber mit den von ihr bevorzugten Bällen in die Füsse gefunden werden konnte. Mit der ManCity-Stürmerin an ihrer Seite hat Russo ihre Position und ihr Selbstvertrauen gefunden und ist im selben Masse in das Turnier hineingewachsen wie England als gesamtes Team.
Vor dem Final vom Sonntag gegen Spanien sieht sich Wiegman einer (im positiven Sinne) schwierigen Entscheidung gegenüber: Die zuvor gesperrte Lauren James dürfte im Endspiel wieder mittun. Das 21-jährige englische Toptalent brillierte in der Gruppenphase unter anderem mit 2 Toren und 3 Assists beim 6:1 gegen China. Diese Parforce-Leistung erbrachte James allerdings in einem taktischen System der «Lionesses», das auf sie als Nummer 10 zugeschnitten war.
Gemäss englischen Experten dürfte Wiegman an ihrer Halbfinal-Formation festhalten und James als Edeljoker in der Hinterhand behalten – auch keine schlechte Ausgangslage.