Eines hatte der Nati-Staff vor dem Entscheidungsspiel gegen Serbien an der WM in Katar immer wieder betont: Es wird kein zweites Kaliningrad geben. Zur Erinnerung: An der WM 2018 hatten sich unter anderen die Spieler kosovarischer Abstammung, Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri, vom serbischen Publikum provoziert, zur «Doppeladler»-Geste hinreissen lassen.
Bei der Revanche viereinhalb Jahre später – und vor deutlich kleinerem serbischen Anhang – dauerte es lange, bis die Wogen hochgingen. Nach 65 Minuten etwa, als Aleksandar Mitrovic einen gesuchten Penalty nicht zugesprochen erhielt. Und abermals, als sich der sichtlich provozierte Xhaka in der Nachspielzeit bei einem Wortgefecht eine zumindest für den Moment noch nicht folgenschwere Verwarnung einhandelte.
Doch im Nachgang der relativ fair geführten Partie wurde eine Geste publik, die noch ein Nachspiel haben könnte: Bei der beschriebenen Szene, bei welcher die Serben einen Elfmeter forderten, griff sich Xhaka vor der serbischen Bank provokativ in den Schritt und sorgte so für eine Rudelbildung.
Zweideutigkeit beim Jashari-Trikot
Nach der Partie zog Xhaka auf dem Rasen das Trikot von Teamkollege Ardon Jashari über. Der 20-jährige FCL-Spieler gehört zum Nati-Aufgebot, kam in den 3 Vorrunden-Spielen jedoch nicht zum Einsatz.
Jashari ist aber auch der Name eines Unabhängigkeitskämpfers, der als Mitbegründer der kosovarischen Befreiungsarmee UCK und als Symbolfigur des militärischen Widerstands gegen die Serben gilt.
Der zum «Man of the Match» gekürte Captain stand SRF nicht für ein Interview zur Verfügung. Er erläuterte an der Medienkonferenz aber ausweichend: «Es war ein Spiel mit vielen Emotionen. Emotionen gehören für mich zum Fussball. Insgesamt war es fair genug. Wir wollten uns auf den Fussball konzentrieren. Uns ist es gelungen, den ersten Schritt zu machen. Wir sind sehr stolz.»
Das waren normale Emotionen, eine solche Partie kann nicht emotionslos sein.
Zur Szene mit dem Shirt sagte er: «Das hat definitiv keinen politischen Hintergrund.» Er würde sich einfach sehr gut mit Jashari verstehen. «Ich habe ihm vor dem Spiel gesagt, dass ich sein Trikot anziehe, wenn ich ein Tor schiesse oder wir gewinnen», so Xhaka weiter. Auch Remo Freuler sagte am Tag nach dem Spiel, dass der Youngster und der Captain viel Zeit zusammen verbringen.
Trainer Murat Yakin nahm seinen Captain in Schutz: «Ich habe einen Granit gesehen, der sich voll und ganz auf den Fussball konzentriert und eine starke Leistung gezeigt hat. Ich habe die serbischen Spieler gesehen, die über die Linie gegangen sind. (…) Das waren normale Emotionen, eine solche Partie kann nicht emotionslos sein. Aber ich weiss nicht genau, was vorgefallen ist.»
SRF-Experte Beni Huggel hofft, dass die Geste mit dem Griff in den Schritt keine Konsequenzen hat: «Es war eine unnötige Szene. Die Emotionen sind verständlich, moralisch sollte man ihn nicht verurteilen, das kann passieren.» Huggel betont aber auch: «Hat es für ihn und das Team Konsequenzen, dann ist das dumm.» Noch ist nicht klar, ob die Fifa Untersuchungen einleiten wird. Affaire à suivre ...