Das Duell zwischen den beiden SRF-Experten und ehemaligen Fussballprofis hat gezeigt: Martina Moser kann technisch problemlos mit Kay Voser mithalten. Wie sieht es in anderen Bereichen aus? Und welche Hürden muss der Frauen-Fussball in der Schweiz nehmen, um – gerade im Hinblick auf die Heim-EM 2025 – noch mehr Akzeptanz zu erlangen? Darüber haben wir mit der SRF-Expertin und Ex-Fussballerin gesprochen.
SRF Sport: Die WM in Australien und Neuseeland war eine Erfolgsgeschichte. Diese Begeisterung ist aber noch nicht auf die hiesige Frauenliga übergeschwappt. Was muss sich in der Schweiz ändern?
Martina Moser: Der wichtigste Punkt ist und bleibt die Akzeptanz des Frauen-Fussballs. Es geht weiterhin darum, die Sichtbarkeit zu verbessern und die mediale Präsenz – gerade im Hinblick auf die EM 2025 – hochzufahren. Wir müssen dafür sorgen, dass der Frauen-Fussball in der Schweiz in der Öffentlichkeit zu einer Selbstverständlichkeit wird.
Sie haben die mediale Präsenz angesprochen. Man hat zuletzt immer wieder kritische Stimmen gehört, die behaupten, dass diese «künstlich hochgefahren» wird. Wie schätzen Sie das ein?
Das kann auf den ersten Blick so wirken, ja. Ich denke aber, dass das mit einem grossen Turnier vor Augen normal ist. Es ist genau die Chance, die wir jetzt in der Schweiz packen müssen, damit noch mehr Leute den Frauen-Fussball wahrnehmen. Was ich aber genauso wichtig finde: Das Ganze muss nachhaltig geschehen. Wir müssen die Leute so begeistern, dass sie den Frauen-Fussball auch nach der Heim-EURO weiter verfolgen werden.
Können Sie konkrete Gründe nennen, weshalb die angesprochene Begeisterung nach der WM noch nicht in der Women’s Super League angekommen ist?
Ich denke, dass Unwissen hier eine grosse Rolle spielt: Wann sind die Spiele? Wo finden sie statt? Auch die Ansetzungen sind zum Teil unglücklich. Ein Beispiel: Der Start der Women’s Super League in St. Gallen war praktisch zeitgleich wie das Spiel des Männerteams in Zürich. Das hätte man besser planen können, ja müssen.
Oftmals finden die Spiele der Frauen auf kleineren Sportanlagen statt. Müsste man hier auch den Hebel ansetzen?
Absolut! Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass auch die Frauenteams regelmässig in den grossen Stadien spielen. Ich denke dabei nicht zuletzt auch an die Fans. Es geht darum, für Familien ein «Stadionerlebnis» zu kreieren. Für Kinder ist es nicht so relevant, ob Männer oder Frauen spielen. Hauptsache sie dürfen den Lieblingsverein im eigenen Stadion supporten und ein Fussballspiel erleben.
Weshalb macht man das nicht öfter?
Wir müssen schon auch realistisch sein. Spiele in grossen Stadien sind immer mit Kosten verbunden. Es braucht mehr Leute rund um den Match. Sei es zum Beispiel für die Sicherheit oder das Catering. Da sind Partien im Espenmoos oder auf dem Heerenschürli viel weniger aufwändig.
Also geht es am Ende nur ums Geld?
Der finanzielle Aspekt ist ein zentraler Faktor, ja. Aber er darf nicht der einzige sein. Es braucht mehr Commitment im Frauen-Fussball. Nehmen wir das Beispiel Letzigrund: Der «Letzi» gehört der Stadt Zürich. Vielleicht müsste man das Stadion den Frauen hin und wieder zur Verfügung stellen. Zudem sollte man den Frauen-Fussball nach wie vor als eine Art Start-up ansehen, bei dem erst investiert werden muss, bevor man ernten kann
Die erste Frage lautet immer: ‹In welcher Liga der Männer könntet ihr mithalten?› Das ist die schlimmste Frage, die man einer Frau stellen kann.
Was machen andere Länder wie Spanien oder England besser als die Schweiz?
Man ist in diesen Ländern viel professioneller aufgestellt und hat Nationalteams im Rücken, die jüngst grosse Erfolge gefeiert haben – das hilft natürlich, um bei der Bevölkerung eine Begeisterung zu entfachen. Auch die finanziellen Mittel sind andere, als wir sie hier haben. In England beispielsweise muss ein bestimmter Prozentsatz der TV-Gelder der Premier League in den Frauen-Fussball investiert werden. In den umliegenden Ländern wie Deutschland, Frankreich, Spanien oder Italien sind ausserdem die Lebensunterhaltskosten viel niedriger als bei uns. Das vereinfacht es, eine professionelle Liga zu unterhalten.
Das sind Punkte, die gegen die Schweiz sprechen. Doch wo müsste man hierzulande in naher Zukunft den Hebel ansetzen?
Vielleicht müssen wir etwas kleiner anfangen, beim «Halbprofitum» zum Beispiel. Zudem haben wir auch bei den Strukturen noch viel Luft nach oben. Es muss ebenfalls die Basis gestärkt werden, viele Spielerinnen bedeuten mehr Talente und am Schluss eine breitere Spitze. Stichworte wie Infrastruktur oder Trainer und Trainerinnen. Es müssen zudem vermehrt Stellen auf Geschäftsstellen geschaffen werden, um das ganze Paket zu professionalisieren.
Der Frauen-Fussball wird nach wie vor oft mit demjenigen der Männer verglichen. Wie stehen Sie dazu?
Die erste Frage lautet immer: «In welcher Liga der Männer könntet ihr mithalten?» Das ist die schlimmste Frage, die man einer Frau stellen kann. Die Frauen können technisch und taktisch auf jeden Fall mithalten, aber Mutter Natur hat entschieden, dass wir kräftemässig und in Sachen Schnelligkeit und Athletik nie auf dem gleichen Level sein werden. Man sollte deshalb aufhören, ständig diese Vergleiche zu ziehen.