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Cavin analysiert die Entlassung, die auch ihn mitriss
Aus Sport-Clip vom 05.10.2024.
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Interview nach US-Abenteuer Cavin: «Vielleicht haben wir zu sehr an diese WM gedacht»

Vincent Cavin hatte als Assistenztrainer mit dem US-Nationalteam die WM 2026 im Visier. Nun endete das Abenteuer in Übersee nach 10 Monaten frühzeitig. Im Interview mit SRF erklärt der ehemalige Assistent von Murat Yakin die Gründe und wie gut der US-Fussball wirklich ist.

SRF Sport: Vincent Cavin, Sie und der US-Verband haben sich im gegenseitigen Einvernehmen getrennt. Warum gab es keine gemeinsame Zukunft mehr?

Vincent Cavin: Im Fussball ist es oft so. Ich bin unter einem anderen Coach (Gregg Berhalter, die Red.) angekommen und der ist jetzt weg. Nun ist Mauricio Pochettino im Amt und hat acht Leute mitgebracht. Ich habe mit dem Verband Gespräche geführt über meine Zukunft, dann haben wir uns für eine Trennung entschieden.

Sie sind im Dezember 2023 zum US-Team gestossen. Welche Rolle hatten Sie im US-Staff genau?

Ich war einer von drei Assistenztrainern und war primär für die Offensive zuständig. Die anderen beiden für die Defensivarbeit und das Umschaltspiel.

Gregg Berhalter.
Legende: Musste im Sommer seinen Posten räumen Gregg Berhalter. imago images/USA Today Network

Wie haben Sie die 10 Monate in Übersee erlebt?

Es war zwar nur ein Jahr, aber es war etwas Wunderbares für mich, zum US-Staff zu gehören. Solche Gelegenheiten muss man einfach beim Schopf packen.

Sportlich lief es am Anfang ja eigentlich noch ganz gut ...

Zunächst haben wir die Nations League gewonnen. Im Sommer hatten wir an der Copa America dann aber Probleme. Im zweiten Spiel kassierten wir nach 18 Minuten eine rote Karte und verloren. Nach dem Turnier hat der Verband entschieden, den Trainer zu entlassen.

Wie blicken Sie auf diese Entlassung zurück?

Der Coach war mehr darauf fokussiert, die Mannschaft auf die WM 2026 in den USA vorzubereiten. Sein Ziel war es, dass die Spieler Erfahrungen sammeln im Hinblick auf dieses grosse Turnier. Ich glaube, er hätte nie gedacht, dass eine schlechte Copa America diese Situation herbeiführen könnte. Wir haben das später zusammen analysiert. Vielleicht haben wir uns zu viel Gedanken über diese WM gemacht und dafür geplant. Im Fussball muss man immer an das nächste Spiel denken.

Haben Sie das Gefühl, dass der US-Verband nervös wurde wegen der Heim-WM im Sommer 2026?

Als ich in die USA ging, kannte ich zwar den Coach, aber die Situation nicht. Ich realisierte, dass viel Druck da war. Viele Leute haben nur darauf gewartet, dass die Resultate nicht stimmen. Nun hat der Verband mit Pochettino einen grossen Namen geholt und damit vielleicht auch etwas Druck von sich selbst genommen.

Trainer Berhalter, der seit 2018 im Amt war, geriet Anfang 2023 wegen einer alten Geschichte in Bedrängnis. War seine Position deshalb schon geschwächt?

Natürlich hat diese Episode seinen Gegnern, das waren vor allem Ex-Spieler, Auftrieb gegeben. Ich finde, er hat einen tollen Job gemacht.

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Cavin über die Stärke des US-Fussballs
Aus Sport-Clip vom 05.10.2024.
Bild: Imago/Sipa USA abspielen. Laufzeit 1 Minute 56 Sekunden.

Sie kannten Berhalter bereits. Wie kam es eigentlich zum Engagement in den USA?

Berhalter hat sich schon zu Beginn seiner Zeit als US-Nationaltrainer bei Petkovic erkundigt. Denn fussballerisch lassen sich die Schweiz und die USA gut vergleichen. Seither stand ich mit ihm in Kontakt.

Sie hatten offenbar auch ein Angebot als Sportchef von Lausanne. Warum haben Sie sich gegen dieses entschieden?

Es gab vor einem Jahr Gespräche mit Lausanne. Als ich Berhalter mitgeteilt habe, dass ich mir vorstellen könnte, den SFV zu verlassen, bot er mir den Job an. Etwa 150 Tage war ich in den USA, in der restlichen Zeit konnte ich in Europa Spieler beobachten und treffen. Das war perfekt.

Welches Potenzial haben die USA eigentlich?

Wenn man ein Kader von 23 Mann hat, gibt es vielleicht 11 bis 12 Spieler, die auf einem guten Niveau sind. Sie spielen in den Top-5-Ligen Europas. Dann kommen junge Talente dazu, welche vielleicht in der zweithöchsten italienischen Liga unter Vertrag stehen. Pochettino hat bei seinem Antritt davon gesprochen, dass man an den WM-Titel glauben müsse. Das ist sehr ehrgeizig. Im Fussball ist alles möglich, aber es wird sehr schwierig.

Sie sprechen nur von den europäischen Ligen. Ist die Major League Soccer zu schwach?

Es ist eine spezielle Meisterschaft. Es gibt Spieler, die 8 Millionen Dollar verdienen, andere nur 100'000. Gute junge Spieler verdienen aber immer besser, das könnte für die Zukunft problematisch werden. Statt nach Europa zu wechseln, bleiben sie in der MLS. Sie haben ja alles.

Tut es nicht ein bisschen weh, diese WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada zu verpassen?

Klar wäre eine WM in den USA mit dem Heim-Team unglaublich gewesen, aber das ist jetzt vorbei. Ich nahm mit der Schweiz an 3 Weltmeisterschaften teil und weiss, was eine Endrunde ist.

Sie waren 13 Jahre lang beim SFV engagiert, waren Spielbeobachter, Video-Analyst und Assistent. Wo sehen Sie Ihre Zukunft?

Ich kenne praktisch alle Rollen im Fussball, war ja auch Technischer Direktor im Team Ticino. Deshalb bin ich sehr offen.

Vincent Cavin
Legende: Langjähriger Video-Analyst Vincent Cavin, hier im Jahr 2015 keystone/D. Steinmann

Das Gespräch führte Dominik Steinmann.

Radio SRF 1, 05.10.2024, 12:40 Uhr ; 

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