Nach einem weiteren Knick in seiner Karriere und langer Leidenszeit ist Breel Embolo zurück im Fussball-Alltag. Er sprüht geradezu wieder vor Energie, Freude und Tatendrang auf dem Rasen, wie er im Interview mit SRF Sport durchblicken lässt.
Der Kreuzbandriss, den er sich im letzten August zugezogen hatte, liegt hinter ihm. Mit dem 21. April und seiner Rückkehr in den Spielbetrieb begann für den Monaco-Söldner eine neue Zeitrechnung. In Kürze wird sich herausstellen, ob der 27-jährige Stürmer auch mit der EM-Endrunde in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) rechnen darf und der Schweizer die zuletzt vermisste Torgefahr der Nati wieder einimpfen kann.
SRF Sport: Die drängendste Frage rund 8 Monate nach Ihrer letzten schweren Verletzung lautet: Wie geht es Ihnen?
Breel Embolo: Mir geht es gut. Ich stehe wieder auf dem Platz, trainiere und spiele zusammen mit den Jungs. Somit kann ich wieder das tun, was ich liebe. Fussball hat bei mir – nebst der Familie – oberste Priorität.
Und wie geht es dem Knie? Ist das Vertrauen bereits zurück?
Ich bin ja bereits seit ein paar Monaten wieder im Training. Das Knie ist top, es hat nie reagiert. Ich bin froh darüber und erachte dies nicht als selbstverständlich. Der Prozess bis dahin war ein langer, denn die Verletzung war schwerwiegend – und er ist noch immer nicht abgeschlossen. Die Reha war planbar, ich hatte klare Vorgaben und nahm Etappe um Etappe. Mental war dies gut zu verkraften. Ich tat alles, was in meiner Macht stand, und die Heilung schritt gut voran. Ich bin ein Typ, der gewöhnlich nicht allzu viel überlegt. Das hat geholfen. Ich lernte aber auch, geduldig zu bleiben und auf den Körper zu hören.
Die Reife und mein Alter helfen mir, dies zu realisieren und nicht sofort alles in die Mülltonne zur werfen.
Sie waren schon bei Schalke ab Herbst 2016 mit komplizierten Fussbrüchen mehrfach lange ausgefallen. Liessen sich die Leidenszeiten vergleichen?
Alle Verletzungen sind schwierig, denn man möchte sie nicht haben. Sie haben letztlich 2 oder 3 Jahre meiner Karriere gekostet. Der Unterschied ist, dass ich nun mit 27 Jahren besser einordnen kann. Ich bin klarer im Kopf und weiss, dass die Möglichkeit besteht, stärker zurückzukommen. Die Reife und mein Alter helfen mir, dies zu realisieren und nicht sofort alles in die Mülltonne zu werfen.
Kam dazu, dass Sie medial eine schwierige Zeit durchmachen mussten. Aufgrund eines Prozesses wegen Drohung und angeblich gefälschter Covid-Zertifikate setzte es gesellschaftliche Kritik ab. Wie war das für Sie?
Ich konnte das gut ausblenden. Die Leute können ihre Meinung dazu bilden. Das muss man als öffentliche Person respektieren. Wichtig aber ist für mich nur meine Rolle auf dem Rasen. Ich habe eine Vorbildfunktion als Spieler, als Sohn, als Vater und als Freund. Diese nehme ich wahr. Ich hatte nicht alles perfekt gemacht. Aber es ist auch viel Müll geschrieben worden. Das hingegen muss ich nicht kommentieren. Lieber verwende ich meine Energie dafür, was ich beeinflussen kann. Denn meine Karriere spielt sich letztlich nur in einem kurzen Zeitfenster ab.
An der EM herrscht eine ganz andere Dynamik. Es ist nun an uns, die Aufgabe anzunehmen – mit mir oder ohne.
Seit Ihrer Rückkehr stehen Sie bei 3 Kurzeinsätzen über 5, 22 und 45 Minuten. Haben Sie Trainer Adi Hütter bereits ein Zeichen gegeben, dass Sie bereit sind für die Rückkehr in die Startelf?
Nein, definitiv nicht. Stattdessen versuche ich mich durch meine Leistungen im Training und durch mein Selbstvertrauen aufzudrängen. Wichtig ist, dass ich vorausgehe und der Mannschaft helfen kann. Zuletzt verloren wir erstmals seit meinem Comeback (2:3 bei Olympique Lyon – die Red.). Das hat geschmerzt. Ich bin noch nicht ganz bei 100 Prozent, aber es verbleiben 3 Spiele und das Ziel Champions League (aktuell Tabellenrang 2). Dann kommt hoffentlich noch die EM, aber ich nehme das alles ganz entspannt.
Wechseln wir doch zum Thema Nationalteam: Die Schweiz hat einen unruhigen Herbst mit wenigen Toren hinter sich. Wie erging es Ihnen beim Zuschauen?
Ich halte nichts davon, meine Meinung kundzutun, wenn ich selbst nicht auf dem Platz stehe. Da halte ich mich lieber raus aus den Diskussionen. Aber ich verfolgte die Spiele als Fan und als Kollege. Gegen den Kosovo in Basel war ich im Stadion. Wir haben den Gegner 70 Minuten lang brutal kontrolliert. Was zählt ist, dass wir uns für die EM qualifizieren konnten. Und die Sachen, die nicht gut liefen, müssen wir kritisch beurteilen. Mit der Aussenwahrnehmung kann ich sagen, dass Qualität und Spielsystem vorhanden sind. Wir sind eine tolle Truppe. Das muss uns bewusst sein. Und an der EM herrscht eine ganz andere Dynamik. Es ist nun an uns, die Aufgabe anzunehmen – mit mir oder ohne.
Das EURO-Kader wird am 17. Mai benannt. Noch haben Sie 3 Spiele, um sich zu empfehlen. Natitrainer Murat Yakin weilte kürzlich bei Ihnen in Monaco. Welche Signale haben Sie erhalten?
Ich kenne ihn schon lange, da führt man Gespräche unter Männern. Vielleicht 10 bis 15 Minuten über Fussball, aber sonst tauschen wir uns über viel anderes aus. Wichtig ist, dass ich gesund bin und bleibe. Ich spüre die Unterstützung, auch seitens des Verbandes. Das schätze ich.
Die EM-Teilnahme ist das eine. Das andere ist, dass Sie wegen der Ladehemmung der Nati-Stürmer schon fast als Heilsbringer gelten. Wie gehen Sie mit diesen hohen Erwartungen um?
Da handhabe ich es wie mit der Kritik. Bei Druck bleibe ich entspannt oder nehme ihn als positiv wahr. Ich weiss, was ich der Mannschaft bringen kann. Dafür muss ich fit sein und brauche meine Teamkollegen. Hätte ich das Glück, ein 5. Mal bei einem grossen Turnier dabei zu sein, wäre das eine Ehre.
Das Gespräch führte Mevion Heim.