Rückblende: Im Herbst 2015 spielt Remo Freuler mit Luzern in der Super League um den Anschluss an die internationalen Plätze. Zweihundert Kilometer südlich hält sich im italienischen Bergamo der lokale Erstligist eher schlecht als recht in der Serie A, die er erst vier Jahre zuvor wieder erreicht hat.
Gemeinsam gewachsen
Einige Monate später wechselt Freuler in die Lombardei – und bleibt dort. Seither ist bei seinem Arbeitgeber viel passiert: Atalanta stand unter anderem zwei Mal im Final der Coppa Italia und brachte im Champions-League-Viertelfinal PSG an den Rand des Ausscheidens. Und beim mittlerweile 30-Jährigen? Der wurde Nationalspieler und «Schweizer Dirigent» im Mittelfeld der Bergamasken, mit denen er in seine 8. Saison geht.
Wie ist diese beidseitige Entwicklung möglich? Freuler macht «gute Ein- und Verkäufe» für eine optimale Synergienutzung mitverantwortlich. Und nennt mit Gian Piero Gasperini auch die Konstante an der Seitenlinie. Ausgerechnet der emotionale Nomade, der als Trainer bereits über den ganzen Stiefel tingelte, wurde 2016 ebenfalls in der Lombardei sesshaft.
Bergamo als Wohlfühloase
Gasperinis und Freulers Klubtreue sind längst nicht mehr Usus im schnelllebigen Fussballgeschäft. Mit seinen Auftritten in der Serie A und der «Königsklasse» weckte auch der Mittelfeldspieler Begehrlichkeiten bei Klubs aus anderen Top-Ligen. «Der Zeitpunkt muss aber stimmen», so der Schweizer über einen Wechsel.
Auch in den letzten beiden Corona-Jahren, die insbesondere in Bergamo ihre Spuren hinterliessen, ist dieser Zeitpunkt offenbar nie eingetroffen. «Ich habe bei Atalanta etwas vorgefunden, das mir auch ausserhalb des Fussballs gefällt», erklärt Freuler seine Verbundenheit zum Klub.
Atalanta Bergamo: Kein Titelaspirant
So stört es den gebürtigen Glarner denn auch nicht gross, dass Atalanta im vollgepackten WM-Jahr das erste Mal seit langem in keinem der europäischen Wettbewerbe vertreten ist. Für Platz 8 in der abgelaufenen Spielzeit macht Freuler «drei schlechte Monate und die fehlende Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor» verantwortlich.
Auch wenn der Ex-Luzerner mit Atalanta fest bestrebt ist, dies ab Mitte August zu ändern, sieht er Ende Saison andere Klubs ganz vorne stehen. Freuler nennt das norditalienische Trio um Juventus und die beiden Mailänder Klubs, verweist aber auch auf den Conference-League-Sieger Roma und dessen namhafte Verstärkungen. «Einen klaren Favoriten habe ich aber nicht.»
Auch Bergamo hat mit Éderson einen kostspieligen Transfer getätigt. Seinen Platz im Mittelfeld sieht Freuler vom Zuzug des 20-Millionen-Mannes aber nicht gefährdet. «Ich bin einer im Spiel von Atalanta, der weiss, was wann zu tun ist» – tatsächlich ist er aus Gasperinis System mit einem frühen Pressing und hoch agierenden Verteidigern längst nicht mehr wegzudenken.