Vor nicht einmal 2 Jahren stand Léo Lacroix noch für die Schweizer Nationalmannschaft im Einsatz. Seitdem ist es um den Verteidiger ruhig geworden. Im SRF-Interview spricht der 28-Jährige über die vergangene Saison ganz ohne Ernstkampf und seine Ansprüche an einen neuen Klub.
SRF Sport: Léo Lacroix, wo erreichen wir Sie gerade?
Léo Lacroix: Ich bin zuhause im Wallis. Ich bin seit dem Anfang der Corona-Krise im März hierher gekommen. Zu Beginn hiess es, die Pause würde 10 Tage dauern, weil für diese Zeitspanne alle sportlichen Aktivitäten in Frankreich nicht mehr stattfinden durften. Dann wurde die Pause verlängert und verlängert. Bis die Meisterschaft schliesslich Ende April abgesagt wurde.
Im April hiess es, dass man das Training ein wenig runterfahren könne. Aber ich wusste ja, dass mich eine neue Herausforderung erwartet, deshalb habe ich weiterhin hart trainiert.
Am Freitag kommt es zum ersten Ernstkampf in Frankreich seit Langem. Ihr ehemaliger Klub Saint-Etienne trifft in der Coupe de France auf PSG. Wieso spielen Sie nicht mit?
Da mein Vertrag Ende Juni ausgelaufen ist, hätte ich dafür eine Verlängerung mit dem Klub um 1 bis 2 Monate anstreben müssen. Aber das war weder in meinem Sinn noch in jenem des Klubs. Ich denke nicht, dass der Klub auf mich gezählt hätte. Deshalb war früh klar, dass ich den Final nicht würde spielen können.
Werden Sie das Spiel mitverfolgen?
Ja, klar. Es ist schon sehr lange her, seit Saint-Etienne den Final erreicht hat. Ich bin sehr glücklich für meine ehemaligen Teamkollegen und den Klub. Ich werde das Spiel sicher anschauen und mit ihnen mitfiebern.
Was haben Sie in den letzten Wochen und Monaten gemacht?
Am Anfang haben wir vom Klub einen genauen Plan erhalten, denn man wusste ja noch nicht, ob die Meisterschaft weitergehen würde oder nicht. Also habe ich jeden Tag trainiert. Nach der Absage hiess es, dass man das Training ein wenig runterfahren könne. Aber ich wusste ja, dass mich eine neue Herausforderung erwartet, deshalb habe ich weiterhin hart trainiert. Seit bald 2 Monaten trainiere ich jetzt mit einem Coach.
Ist das nicht seltsam, seit 4 Monaten alleine zu trainieren?
Das ist wirklich lang, das muss ich zugeben. Es ist nicht einfach, schon so lange nicht mehr mit einem Team trainiert zu haben, vor allem mental. Auf dem Feld zu stehen, in der Kabine zu sein, die Spiele, das Training und die Mitspieler – all das fehlt mir definitiv. Aber ich nehme das ganze letzte Jahr auch als eine mentale Challenge und neue Erfahrung für die Zukunft mit. Da musste ich durch, damit ich schon bald ein neues Team finden kann.
Ich hätte immer wieder die Möglichkeit gehabt, wegzugehen. Aber es gab keine Herausforderung, die mich gereizt hätte.
Wissen Sie noch, wann Sie das letzte Mal auf Profi-Niveau auf dem Platz standen?
Das war im letzten Jahr mit Hamburg.
Genau: am 19. Mai 2019. Sie schossen damals am letzten Spieltag der Zweitliga-Saison sogar ein Tor gegen Duisburg. Das ist jetzt schon mehr als 12 Monate her. Was ist schiefgelaufen?
Ich bin im Sommer 2019 nach Saint-Etienne zurückgekehrt und ging in mein letztes Vertragsjahr, was oft schwierig sein kann. Ich hätte immer wieder die Möglichkeit gehabt, wegzugehen. Aber es gab keine Herausforderung, die mich gereizt hätte. Also entschied ich mich, zunächst einmal 6 Monate zu bleiben, um im Januar etwas zu finden. Aber auch dann hat sich nichts ergeben, und zuletzt ist noch das Coronavirus dazwischengekommen. Man kann sicher sagen, dass ich ein Jahr verloren habe, aber jetzt bin ich bereit, um wieder Vollgas zu geben.
Was muss Ihnen ein Klub bieten, damit er sie interessiert?
Ich brauche jetzt Spielminuten, um sowohl körperlich als auch spielerisch wieder auf mein altes Leistungsniveau zu kommen. Ein gutes Projekt mit einer guten Mannschaft, und los geht's! Das Wichtigste ist jetzt, wieder zu spielen.
Reizt Sie eine Aufgabe in der Schweiz oder im Ausland mehr?
Ich bin offen für alles. Ich bin mit meinem Anwalt und verschiedenen Klubs in Gesprächen und werde bald eine Entscheidung treffen.
Macht es die Corona-Pandemie für Sie schwieriger, einen neuen Klub zu finden?
Mir kommt zugute, dass auch viele andere Spieler wegen des Coronavirus länger nicht gespielt haben. Also sind sie etwa auf meinem Niveau, was den Rhythmus betrifft. Zudem bin ich jetzt frei, ein neuer Klub muss keine Ablösesumme für mich bezahlen. Und ich verfüge über eine gewisse Erfahrung, habe bei grossen Klubs gespielt. Aber klar, ich stand mehr als ein Jahr nicht mehr auf dem Platz. Manche Klubs könnten so ihre Fragezeichen haben.
Haben Sie keine Angst vor der Ungewissheit?
Nein, überhaupt nicht. Der Fussball ist ein schnelllebiges Geschäft, da vergisst man einen Spieler, der nicht spielt, zwar schnell. Deshalb muss ich jetzt einfach zurück auf die Bühne. Ich bin zuversichtlich, dass es schon bald soweit sein wird.