Nach 13 Jahren scheint St. Paulis Wiederaufstieg in die Bundesliga unmittelbar bevorzustehen. Der Klub vom Millerntor führt die Tabelle der 2. Liga mit 5 Punkten Vorsprung auf Verfolger Kiel an. Der Abstand auf Platz 3 (Relegation) beträgt gar 11 Zähler. Noch 7 Runden stehen aus. Und die Hamburger strahlen derzeit eine schier unantastbare Dominanz aus.
Das «A-Wort» ist trotz Riesen-Vorsprung tabu
Eng verbunden mit dem Aufschwung ist Fabian Hürzeler. Unter dem Trainer mit Schweizer Wurzeln (der Sohn einer Deutschen und eines Schweizers ist in den USA geboren und besitzt daher drei verschiedene Staatsbürgerschaften) verlor St. Pauli nur 4 von 44 Partien. So wurde der Klub in nicht einmal anderthalb Jahren vom Abstiegsanwärter zum Aufstiegsfavoriten.
Vom «A-Wort» allgemein und davon, dass der Aufstieg nur noch Formsache sei, will Hürzeler im Gespräch mit SRF nichts wissen: «Ich habe meine Spieler vor diesem Satz gewarnt, weil die Liga extrem ausgeglichen ist.» Trotz komfortablem Vorsprung bleibe er der altbewährten Trainerphrase treu: «Von Spiel zu Spiel schauen.» Und ohnehin müsse man das Pferd von hinten aufzäumen, sich fragen, wie es zu diesem Abstand zur Konkurrenz gekommen ist: «Diese Werte, diese Bereitschaft zu arbeiten, diese Art Fussball zu spielen müssen wir vorantreiben und weiterentwickeln.»
Nur wenn du für etwas stehst und Klarheit hast, wie du spielen willst, kannst du konsequent sein.
Hürzelers Lieblingsklub? Ein Geheimnis
Wenngleich Hürzeler kein Fan des Konjunktivs ist, stehen zwei Dinge im Aufstiegsfall für ihn fest: Einerseits, dass die feierfreudigen Paulianer eine Fete allererster Güte schmeissen würden. Andererseits, dass auch die Zugehörigkeit zur Bundesliga seine Arbeit nicht grundlegend auf den Kopf stellen würde: «Dass ich für meine Spielidee stehen will, hat überall Bestand. Wichtig ist, dass ich mir als Führungspersönlichkeit treu bleibe. Nur wenn du für etwas stehst und Klarheit hast, wie du spielen willst, kannst du konsequent sein.» Alles andere, so Hürzeler, würde zu Lasten der Authentizität und Konsequenz gehen.
Dass die Erfolge des mit 31 Jahren jüngsten Cheftrainers im deutschen Profifussball Begehrlichkeiten wecken, kann nicht überraschen. Seinen Traumklub verschweigt Hürzeler («habe gelernt, gewisse Dinge für mich zu behalten»), allfällige Anfragen bleiben schon bei seinem Berater hängen. Schliesslich fühle er sich wohl beim Klub mit dem Totenkopf: «Es ist wie in einer Familie, es fühlt sich nicht nach Arbeit an. Natürlich werde ich dafür bezahlt. Aber ich kann meiner Leidenschaft nachgehen.»
Leider ist die Gesellschaft so, dass sie gerne Dinge hineininterpretiert.
Diskretion auch beim neuen Vertrag
Dennoch wurde die Vertragsverlängerung bei St. Pauli zur Hängepartie, ehe Anfang März die Vollzugsmeldung erfolgte (allerdings ohne Angaben zur Laufzeit). Zu allfälligen Gerüchten – mitunter war in der deutschen Presse vom Tauziehen um eine Ausstiegsklausel die Rede – will sich der Erfolgstrainer nicht äussern. Spekulieren sei Aufgabe der Medien.
Sowieso sei er in seinen Aussagen vorsichtiger geworden, «leider ist die Gesellschaft so, dass sie gerne Dinge hineininterpretiert». Man habe intern ehrlich, offen und vertrauensvoll kommuniziert und er sei «happy», dass es mit der Verlängerung geklappt habe.
Mit einem klaren Plan, aber vorsichtiger Kommunikation gegen aussen lässt Hürzeler die «Kiezkicker» von Grossem träumen. Während seine Taten in der Schweiz nicht unentdeckt bleiben, ist auch ein Teil seiner Aufmerksamkeit bei seiner zweiten Heimat. Etwa bei St. Gallens Betim Fazliji, der sich bei St. Pauli nicht durchsetzen konnte. An der EM im Sommer kommt es zum Direktduell zwischen der Schweiz und Deutschland. Für wen schlägt sein Herz? Hürzeler antwortet – mit der ihm eigenen Diplomatie: «Der Bessere soll gewinnen.»