Marivaldo Francisco da Silva hat die 50 kurz vor sich, hagere Gestalt, Spuren des einfachen Lebens ins Gesicht gemeisselt. Wie jeder Brasilianer liebt er einen Fussballklub, verfolgt jedoch seit dem Beginn der Corona-Pandemie den Sport Club do Recife wie verwaist aus der Eckkneipe. Jetzt hofft der Arbeitslose auf eine Würdigung durch den Weltverband als Fifa-Fan des Jahres. Weil er für seine Farben im wahrsten Sinn des Wortes weit geht.
«Eines Tages habe ich in den Spiegel geschaut und mir gesagt: Gott hat dir zwei Beine, Antrieb und Gesundheit gegeben. Ich werde kein Heimspiel mehr verpassen», schwor sich Marivaldo 2017. Und dann marschierte er los. Vom staubigen Dorfrand sind es 57,9 km, zwölf Stunden Fussmarsch, rund 75'000-mal Schritt für Schritt die gefährliche Bundesstrasse BR-232 stur entlang bis ins Zentrum Recifes.
Essen und Ticket von seiner «Familie»
Jeder Pilgermarsch beginnt mit dem gleichen Ritual: Bedächtig legt Marivaldo eine Regenjacke, ein Trikot, Zahnbürste und Handy in einen kleinen Stoffbeutel. Der erste Weg führt zum Kiosk von Edmilson, der ihm eine Flasche Wasser und zwei Kekspackungen als Proviant mit auf den Weg gibt.
«Sport ist mein Leben. Etwas, das aus meiner Seele kommt. Ich kann es nicht erklären», erläutert Marivaldo und versucht sich erst gar nicht lange in Ausreden für sein verrücktes Tun. Keinen Centavo in der Tasche, nicht einmal im Besitz einer Eintrittskarte, so kommt er bei Dämmerlicht an.
Doch längst ist Marivaldo Symbolfigur des Meisters von 1987, des Pokalsiegers von 2008, der in diesem Jahr mal wieder erstklassig ist. «Das hier ist meine Familie», betont der Super-Fan, bevor ihm von irgendwo ein Teller mit Essen und ein Ticket zum Spiel gereicht wird, ehe er in seiner Parallelwelt auf der Stehtribüne verschwindet.
Mitfahr-Angebote lehnt er ab
Seine Geschichte rührt die Menschen daheim. Die Spende eines Fahrrades, das Mitfahr-Angebot auf dem Hinweg, Gratis-Essen an einer Tankstelle, all dies lehnt Marivaldo jedoch hartnäckig ab. «Seit 2017 bin ich nie auf der Strecke liegen geblieben», berichtet er stolz.
Und so wird man die hagere Gestalt irgendwann nach Ende der Pandemie wieder im Sport-Trikot am Seitenstreifen der BR-232 schnurstracks wandern sehen. Stets mit einem Lächeln im Gesicht. Weil der Sieg auf ihn wartet.