René Weiler gilt nicht eben als konventioneller Trainer. Und so war es dann auch nur begrenzt erstaunlich, als er kurz vor Ablauf der Verlängerung im Cupfinal einen Wechsel auf der Goalie-Position vornahm. Ein Poker, der aufging, wie in der Retrospektive klar ist. Ohnehin ist die Keeper-Hierarchie in Genf aussergewöhnlich, Joël Mall und Jérémy Frick kommen auf die nahezu gleiche Anzahl absolvierter Minuten. Eine Massnahme, die nun fruchtete.
- Cup-Held Mall schildert: «Was für ein Szenario! So eine Geschichte schreibt nur der Fussball. Die Parade vor dem Schlusspfiff, dann das Penaltyschiessen. Ich habe mich nicht gross warmgemacht. Beim Schiessen war ich nervöser, ich hatte Glück, habe nicht einmal gut geschossen. Wir haben es verdient, jetzt geniessen wir. Es ist mein erster Titel. Auch ich als ruhiger Typ werde heute Nacht nicht viel schlafen.»
- Mall weichen musste Frick . Wie empfand er seine Auswechslung? «Ich finde es immer geil, wenn du den Keeper wechselst. Dem Gegner zeigt das: Es wird etwas passieren. Dass Joël zweimal gehalten hat, war die Geschichte des Finals.» Dieser ständige Zweikampf um den Platz zwischen den Pfosten sorge keineswegs für Konflikte: «Wir sind beide über 30, haben viel erlebt und haben eine gute Stimmung. Auch wenn wir beide immer spielen wollen.»
Einen Final musst du gewinnen, wie du ihn gewinnst, ist egal.
- Titeltrainer Weiler
erläuterte seinen Entscheid: «Mall ist der bessere Goalie bei Penaltys.» Er habe sich dies schon beim Achtelfinal-Out in der Conference League in Pilsen gedacht, damals aber nicht gehandelt. Er nahm die SRF-Zuschauenden mit in seine Gedankenwelt: «In der Verlängerung habe ich das erste Mal daran gedacht und dem Goalietrainer ein Zeichen gegeben. Es war ein einsamer Entscheid.»
Mit dem Auftritt seiner Equipe zeigte sich Weiler, der in Genf künftig in anderer Funktion amten wird, sehr zufrieden: «Wir hatten keine Grosschancen, aber störten gut. Lugano hat lange Zeit gar nichts kreiert. Am Ende sind Finals immer eng. Einen Final musst du gewinnen, wie du ihn gewinnst, ist egal.» Auf das schmale Kader angesprochen, das insgesamt 58 Pflichtpartien absolvierte, erwiderte er: «Aufgeben gibt es eh nicht. Die Mannschaft hat immer Mentalität gezeigt.»
Heute suchen wir keine Ausreden. Servette hat es verdient.
- Als fairer Verlierer erwies sich Weilers Konterpart bei Lugano, Mattia Croci-Torti: «Wir hatten 3 Matchpoints, aber hatten kein Glück. Wir müssen es akzeptieren. So ist der Fussball. Wir liessen nicht so viele Chancen zu, hatten viel Druck und waren sehr nahe am Titel. Heute ist es brutal.» Angesprochen auf das mögliche Handspiel im Servette-Strafraum blieb Croci-Torti ganz Sportsmann: «Ich habe die Szene noch nicht gesehen. Man hat mir gesagt, es sei fast zu 100 Prozent ein Penalty. Doch heute suchen wir keine Ausreden. Servette hat es verdient, sie haben sich 3 Mal zurückgekämpft. Fussball hat uns viele schöne Moment beschert, heute einen schlechten Tag. Wir kommen wieder zurück.»
- Am anderen Ende der Gefühlsskala befand sich freilich der gebürtige Genfer Jérémy Guillemenot : «Es ist unglaublich, ich habe keine Worte. Für unsere Familie, die immer zu uns hält, ist es nicht einfach. Aber wenn man so eine Saison schafft, ist es unglaublich. Wenn man so gewinnt: Boah! 3 Mal könnten wir verlieren, dann gewinnen wir. So ist der Fussball, so ist Penaltyschiessen.»