Nicolas Ngamaleus vermeintliches Abseits, ein möglicher Penalty für Servette, der umstrittene St. Galler Siegtreffer: Die 10. Runde der Super League bleibt wegen etlichen heissen Entscheidungen der Unparteiischen und der wieder aufgewärmten Frage nach der Fairness des Videoschiedsrichters in Volketswil in Erinnerung.
Wir haben Schiedsrichter-Chef Daniel Wermelinger mit den Szenen konfrontiert. Er muss konstatieren: Die Referees lagen gleich in 3 Situationen falsch. «Das ganze Wochenende war ärgerlich für uns. Das ist nicht unser Anspruch, dass wir den VAR so einsetzen», gibt Wermelinger zu. Er verstehe den Ärger benachteiligter Protagonisten.
Vor der detaillierten Bewertung der Szenen ist wichtig zu verstehen, wie das Zusammenspiel zwischen Schiedsrichter und VAR vonstatten geht: Der Unparteiische auf dem Feld funkt bei einer strittigen Szene nach Volketswil, was er gesehen hat. Hat der VAR die Situation anders wahrgenommen, bittet er den Schiri an den Bildschirm. Die Entscheidungsmacht, das letzte Wort bleibt in jedem Fall beim Schiedsrichter auf dem Feld.
1) YB - Luzern, 55. Minute
- Die Szene: Christian Fassnacht gleicht zum 1:1 für YB aus. Der Treffer wird von Schiedsrichter Stefan Horisberger jedoch wegen Abseits aberkannt – ein Fehlentscheid: Der entscheidende Pass in die Tiefe kam vom Luzerner Jordy Wehrmann.
- Das sagt Wermelinger: «Jedes Tor wird in Volketswil gecheckt, aber auch der Weg zum Tor. In dieser Szene musste der VAR diverse Szenen checken. Es war auch noch ein möglicher Penalty, den er sich ansehen musste. Er erwischte dadurch die falschen Bilder. Luzerns Wehrmann spielt den Ball, das hatte er nicht auf dem Radar. Das Fazit ist klar: Das 1:1 hätte zählen müssen, wir lagen falsch.»
2) St. Gallen - Servette, 69. Minute
- Die Szene: St. Gallens Basil Stillhart trifft im «Espen»-Strafraum Ronny Rodelins Fuss. Die Pfeife von Luca Piccolo bleibt stumm, die Videobilder werden nicht konsultiert.
- Das sagt Wermelinger: «Auf den ersten Fernsehbildern in Volketswil schien es zunächst, dass Stillhart den Ball spielt. Erst auf späteren Einstellungen, nach dem der Check bereits vorbei war, sahen wir, dass der Servette-Spieler vorher am Ball war. Für uns war es dann zu spät, noch zu intervenieren und auf Penalty zu entscheiden. Auch hier war es unser Fehler, es hätte Elfmeter geben müssen.»
3) St. Gallen - Servette, 93. Minute
- Die Szene: Jérémy Guillemenot schiesst den FCSG in der Nachspielzeit zum 2:1-Sieg. In der Wiederholung sieht man: Dem Treffer ging ein Foul von St. Gallens Ousmane Diakité an Alex Schalk voraus. Piccolo überprüft die Szene am Screen, lässt das 2:1 aber gelten.
- Das sagt Wermelinger: «Das ist mangelnde Cleverness von uns. Das Foul muss man bereits auf dem Platz erkennen und abpfeifen. So wäre es ein Foul im Mittelfeld gewesen, worüber man nicht mehr geredet hätte. In Piccolos Wahrnehmung der Szene ging Schalk zudem viel passiver in den Zweikampf als Guillemenot. Das hat er gefühlt auch auf den Videobildern so gesehen, was ihn zu seiner Entscheidung veranlasst hat.»
4) Das Learning: «Lieber ein Bild mehr anschauen»
«Was man berücksichtigen muss: Der Druck in Volketswil ist sehr hoch. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler», erklärt Wermelinger. Doch natürlich seien die Ansprüche höher, man sei seit den letzten Wochen in einer Baisse. Nun gelte es, aus den Fehlern zu lernen. Wie soll das laut dem Schiri-Chef gelingen? «Wir müssen den Fokus mehr auf den Spielen haben.»
Und manchmal müsse man auf den Anspruch, innert kürzester Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen, Abstand nehmen: «Das Learning ist, dass man sich Zeit nimmt, wenn sich verschiedene Szenen aneinanderreihen. Das Publikum will immer eine schnelle Entscheidung.» Dennoch müsse man bei den Checks in Volketswil noch umsichtiger sein, heisst: «Lieber mal ein Bild mehr anschauen.»