Frühjahr 2024: Marlen Reusser erfreut sich nach einer optimalen Trainingsphase auf Mallorca einer hervorragenden Form. Die 32-Jährige gewinnt die Valencia-Rundfahrt, im Hinblick auf die grossen Highlights mit Olympia in Paris und der Heim-WM in Zürich läuft alles nach Plan.
Schwerer Sturz an Flandern-Rundfahrt
Aber dann folgt der Bruch: Anfang April stürzt die Bernerin bei der Flandern-Rundfahrt schwer, bricht sich den Kiefer, beide Gehörgänge und 8 Zähne. Eine Zeit mit vielen Arztbesuchen steht bevor. Doch Reusser bleibt positiv, verliert die Ziele mit Olympia und WM nicht aus den Augen.
Nach langer Ungewissheit kommt die Diagnose
Doch zu Beginn des Sommers fängt die Leidenszeit erst richtig an. Reusser ist immer wieder krank, zunächst machen ihr eine Angina und Bronchitis zu schaffen. Dann kommt das Fieber – immer wieder, und es geht nicht weg. 14 Tage lang.
«Es artet Richtung Krise aus. Wir finden nicht heraus, was es ist», gibt sie in dieser Zeit zu Protokoll. Und das kurz vor Olympia. 4 Wochen lang geht gar nichts. Reusser versucht Mitte Juni zwar, auf den Sattel zu steigen. Sie muss sich aber eingestehen, dass ein Training in dieser Verfassung keinen Sinn macht und verbringt die Zeit zuhause bei ihren Eltern in Hindelbank unter anderem mit Stricken.
Ich habe schon kapiert, was die Diagnose bedeutet. Ich wollte es aber nicht wahrhaben und konnte es kaum glauben.
Ohnmacht und Fassungslosigkeit machen sich breit, denn noch immer weiss man nicht, woran Reusser genau leidet. Das Fieber kommt und geht, es ist ein stetiges Auf und Ab.
Emotionale Achterbahnfahrt
Im August folgt die Gewissheit: Sie leidet an einem Post-Covid-Syndrom. «Ich habe schon kapiert, was die Diagnose bedeutet. Ich wollte es aber nicht wahrhaben und konnte es kaum glauben», sagt Reusser. «Das Problem ist: Man macht etwas und wird dabei noch mehr krank.»
Im Interview mit SRF wird sie sehr emotional, muss immer wieder unterbrechen: «Ich bin im Moment chronisch krank. Es gibt Momente, in denen es besser und schlechter geht. Aber es geht mir nicht gut.»
Ich weiss nicht, ob ich Angst habe. Denn es ist mir bewusst, dass es Leute gibt, die davon nicht mehr gesund werden.
Eine Reise zu ihrem Coach und Partner, der auf Mallorca lebt, muss sie verschieben und kann diese erst antreten, wenn sie sich körperlich und mental dazu bereit fühlt. Ein Trainingsblock in diesem Zustand anzusetzen, ist derzeit keine Option.
Kein Karriereende – aber die Gesundheit steht im Fokus
Aufgeben oder gar das Karriereende stehen dennoch nicht zur Debatte. Reusser hat die nächste Saison bereits im Kopf. Aber: «Ich brauche enorm viel Geduld. Und ich weiss nicht, ob ich Angst habe. Denn es ist mir bewusst, dass es Leute gibt, die davon nicht mehr gesund werden.»
Sie könne nicht selber entscheiden, wie es weitergeht. «Der Fokus liegt auf meiner Gesundheit. Es geht darum, dass ich überhaupt wieder gesund werde», blickt Reusser voraus.