Mit Gino Mäder bezahlte ein junger Mann, dessen Horizont weit über den Radlenker hinaus reichte, den höchsten Preis für seine Leidenschaft.
Der ehemalige KV-Stift von Swiss Olympic verkörperte den Typ Sportler, der einen faszinierte. Aus rein sportlicher Optik galt er als der Schweizer, der womöglich die Durststrecke seit Tony Rominger und Alex Zülle beenden würde. Auf ihm ruhten die Hoffnungen nach einem Rundfahrt-Spezialisten.
Die Ambitionen auf einen Triumph in der Gesamtwertung bei einem grösseren Rennen hatte er bereits an der Vuelta 2021 mit Rang 5 als bester Jungprofi und der Tour de Romandie 2022 mit Platz 2 angemeldet. Zuoberst im Palmarès steht der Etappensieg beim Giro d'Italia, als er 2021 im strömenden Regen als Ausreisser eine Bergetappe gewann. Der Sieg in der Königsetappe an der Tour de Suisse im gleichen Jahr in Andermatt bedeutete ihm ebenfalls viel.
Engagement fürs Klima
In Erinnerung bleiben werden aber nicht primär die sportlichen Leistungen, sondern das Engagement für das Klima und sonstige sensible Themen, die im Spitzensport eher verdrängt werden – auch sein Arbeitgeber Bahrain Victorious kam nicht ungeschoren davon.
Mäder nahm in Kauf, dass er manchmal als Rad-Sportromantiker belächelt wurde. Er engagierte sich fürs Klima, obwohl er als Weltenbummler einen riesigen ökologischen Fussabdruck nicht verhindern konnte. Er stand zu seinem Wort, er stand zu den Widersprüchen, er wollte etwas verändern.
«Put your money where your mouth is», nannte er im Gespräch mit Keystone-SDA sein Motto. Mit konkretem Handeln und nicht nur Worten wollte er für seine Überzeugungen einstehen. Seine Forderung setzte er beispielsweise 2021 mit der Aktion «Race for a cause» in Taten um, in dem er auf originellem Weg Geld sammelte.
Für jeden Fahrer pro Etappe, den er hinter sich liess, legte er einen Franken auf die Seite. Zusammen mit Zuschüssen kamen so rund 15'000 Franken ins Spendenkässeli für die Klimaschutz-Organisation «Justdiggit».
Grosses Herz für Tiere
Solche Aktionen waren typisch für den Vegetarier Gino Mäder. Geboren in der Ostschweiz, aufgewachsen im Oberaargau und wohnhaft in Zürich nannte er sich «Bürger dieser Welt». Er nutzte den Spitzensport auch als Plattform, um etwas zu bewegen. Nur im kleinen Bereich, aber im Bereich seiner Möglichkeiten.
Dabei trat er nicht grossspurig auf, sondern zeigte seine sensible, nachdenkliche Seite: Mal adoptierte er einen Hund, der sonst getötet worden wäre, mal forderte er zivilrechtliche Konsequenzen für Dopingsünder, mal setzte er sich für die Förderung des Frauenradsports ein.
Als Mensch geschätzt
Darüber hinaus wurde Mäder im Fahrerlager als angenehmer und humorvoller Zeitgenosse wahrgenommen und geschätzt. Im ehrgeizigen Profisport-Umfeld habe er sich selbst nicht in den Mittelpunkt gestellt und auch an andere gedacht, hob Landsmann Stefan Küng hervor. «Er war ein sehr empathischer Mensch.»
Man hatte ihn sehr gern, weil immer noch etwas mehr kam von ihm als beim typischen Radsportler. Das wird fehlen.
Auch auf Rückschläge habe Mäder jeweils positiv reagiert und seine persönliche Situation ins richtige Verhältnis gerückt. «Er hatte immer ein Lächeln auf den Lippen», sagt etwa Marc Hirschi. Verletzungen oder Corona-Infektionen wie vor dem Giro in diesem Jahr nahm er scheinbar stoisch zur Kenntnis und nahm sich Zeit für die Erholung, um danach sofort wieder auf das nächste Ziel hinzuarbeiten.
«Man hatte ihn sehr gern, weil immer noch etwas mehr kam von ihm als beim typischen Radsportler. Das wird fehlen», sagt SRF-Radexperte Sven Montgomery, der Mäder bereits als Jugendlichen bei Swiss Cycling begleitete.