A wie Ameisen
Der Tag bricht an, das Fest steht kurz bevor, und die Arena füllt sich. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, wenn die 50'000 Zuschauerinnen und Zuschauer wie Ameisen das grösste temporäre Stadion der Welt langsam, aber sicher füllen – und dann den ganzen Tag für beste Stimmung sorgen.
B wie beeindruckendes Baselbiet
Pratteln und die Region Baselland zeigten sich an diesem Wochenende von ihrer besten Seite. Den Organisatoren ist es gelungen, ein prächtiges Fest auf die Beine zu stellen und über rund 400'000 Personen zu empfangen und zu versorgen.
C wie «chli dräckig»
Das Wetter in Pratteln war ideal – jedenfalls grösstenteils. Am Morgen angenehm und bedeckt, gegen Abend immer sonniger und heisser. Regen gab's nur einmal, dafür aber richtig. Am späten Samstagnachmittag zog ein Gewitter auf und schickte einen heftigen Platzregen nieder. Zwischenzeitlich war's auf dem Festgelände deshalb eine matschige Angelegenheit. Die Schuhe litten, nicht aber die Stimmung.
D wie Durststrecke
36 Jahre. 432 Monate. Über 13'000 Tage. So lange mussten die Innerschweizer auf ihren zweiten Schwingerkönig nach Harry Knüsel warten. Doch diese Durststrecke ist nun vorbei. Nach dem Schlussgang brachen bei den Innerschweizern alle Dämme, die Arena explodierte und man merkte, wie selbst die anderen Verbände dem ISV diesen Triumph gönnen mochten. Fairer geht nicht.
E wie episch
Mit Unterhaltung und Pathetik geizte das Fest keineswegs. Der Einlauf der Schwinger am Samstagmorgen sorgte ein erstes Mal für Gänsehaut. Mit epischer Musik im Hintergrund betraten die Schwinger die Arena und vertrieben damit auch die letzte Müdigkeit aus den Besucherinnen und Besuchern.
F wie Feldstecher
Zur fixen Ausrüstung der Besucherinnen gehörte ein Feldstecher, um auch von den oberen Rängen das Geschehen genau betrachten zu können. Mit ins Gepäck des traditionellen Publikums musste auch ein Plättli mit Fleisch und Käse oder eine Pfeife.
G wie Geduld
Auch die war gefragt am Eidgenössischen. Weniger in der Arena drin, als vielmehr überall draussen. Zwischen den Gängen oder in der Mittagspause drängten alle aus dem Stadion und wollten gleichzeitig essen, trinken und das stille Örtchen aufsuchen. Schlangen waren damit vorprogrammiert, und der knurrende Magen oder die drückende Blase mussten sich in Geduld üben.
H wie Hornussen
Auch die Hornusser hatten nach der Absenz in Zug (aus Platzgründen) wieder einen grossen Auftritt am ESAF. Wäseli B ging dabei als Sieger hervor.
I wie Ignazio Cassis
Hand aufs Herz, Festreden gehören eigentlich nie zu den Höhepunkten eines Grossanlasses. Gezeigt, dass es aber auch unterhaltsam geht, hat Ignazio Cassis. «Ich bin 1,71 Meter gross und 75 Kilo schwer. Und Tessiner», sagte der Bundespräsident. «Ich verkörpere also jede Form von Minderheit, die im Schwingen, Hornussen oder Steinstossen überhaupt vorstellbar ist.» Trotzdem fühle er sich mit dem Nationalsport verbunden, und der Schwingsport bringe Minderheiten zusammen.
J wie Joel Wicki
«Joel, zeig ihm dr Himmel», schrie ein Zuschauer während des Schlussgangs gegen Matthias Aeschbacher. Joel Wicki gehorchte ihm wenig später und legte seinen Berner Gegner auf den Rücken. Was danach folgte, ist ein Mix aus Jubel, Tränen, Freudentaumel, Unglauben und «La Olas». Wicki dominierte das Schwingfest und dieses ESAF-ABC.
K wie krönender Abschluss
Nach einem langen und doch schnell vorbeigegangenen Wochenende stand am Sonntagabend nur noch die Krönung an. Doch die Schwinger, die sich nach dem Wettkampf frisch machen und duschen wollten, liessen das Publikum warten. Mit knapp 35 Minuten Verspätung kamen die 44 Kranzgewinner (BKSV: 17, NOSV: 10, ISV: 7, NWSV: 7, SWSV: 3) dann zurück in die Arena und wurden mit dem Kranz gekrönt.
L wie Laufsteg
Nicht nur die Schwinger präsentierten sich von der besten Seite, sondern auch die Lebendpreise. Die elf Tiere, an der Spitze selbstverständlich mit Siegermuni Magnus, wurden mehrmals durch die Arena geführt. Obwohl das Rind Pisa sich manchmal bockig zeigte, liefen diese Auftritte auf dem Laufsteg ohne Zwischenfälle ab. Wie mit echten Models halt.
M wie Muskelkater
Das Festgelände als gross zu beschreiben, wäre untertrieben. Vielmehr war es so monströs (um beim Buchstaben zu bleiben), dass es wahrscheinlich bei vielen Muskelkater verursachte. Vom Bahnhof zur Arena lief man volle 25 bis 30 Minuten. Am Morgen mit der Vorfreude aufs Schwingen war das noch ein Klacks. Am Abend aber, nachdem die Anspannung abgefallen ist und das eine oder andere alkoholische Getränk eingeflösst worden war, zogen sich die rund zweieinhalb Kilometer dann doch. Die steilen Treppen auf die Tribüne trugen ihr Übriges dazu bei.
N wie nie aufgeben
Neben Wicki beeindruckten insbesondere zwei Schwinger, die zuletzt von Verletzungen gebeutelt waren und erst kurz vor dem Start ihre Teilnahme zusagen konnten. Zum einen war das der Innerschweizer Verbandskollege Pirmin Reichmuth, der erst im Juli von seinem viertem Kreuzbandriss zurückgekehrt war und dann auch noch eine Bizepssehnen-Verletzung beklagte. Zum anderen war das Christian Stucki, König von Zug 2019, der wegen Schulter- und Rückenblessuren vor dem ESAF kein einziges Fest bestreiten konnte. Beide gaben am Saison-Höhepunkt nie auf, schwangen das ganze Wochenende stark – Reichmuth flirtete gar mit dem Schlussgang – und holte den Kranz.
O wie ohrenbetäubend
Eines hat das Publikum definitiv bewiesen: 50'000 Menschen können ganz schön laut sein. Logisch schrien und jubelten die Leute bei den Spitzenpaarungen, je nach Ausgang dann vor allem in einem der Verbandssektoren. Aber auch bei vermeintlich unspektakuläreren Paarungen fieberten die Besucher mit und machten Lärm. Genial.
P wie pflotschnass
Vom bereits erwähnten Platzregen wurde nicht nur der zuvor staubtrockene Boden, sondern auch die Besucherinnen auf den ungedeckten Sitzplätzen und die Schwinger überrascht. Mit Sprinteinlagen versuchte sich das Publikum vor den riesigen Regentropfen zu retten, allerdings nicht immer mit Erfolg. Derweil liess sich Reichmuth im 4. Gang vom Regen nicht beirren und bettete Christian Stucki ins nasse Sägemehl.
Q wie QR-Code
Die Technik hält auch im Schwingen mehr und mehr Einzug. In Pratteln so zu sehen im Gabentempel. Dort konnten die Athleten ihre Preise nämlich neu per QR-Code abholen.
R wie «rübis und stübis»
Für das leibliche Wohl war mehr als gesorgt. Frühmorgens mit Gipfeli, Nussgipfel und Kaffee, dann mit Würsten, Pommes, Älplermagronen und bis hin zu Raclette. Der Hunger war gross, «rübis und stübis» waren die Teller jeweils leergegessen.
S wie Seriensieger
Beim Steinstossen mit dem Unspunnenstein hat Remo Schuler seine Vormachtstellung erneut untermauert. Nach 2016 und 2019 hat der Schwyzer zum dritten Mal in Serie den Sieg nach Hause geholt. Mit einer Weite von 3,72 Meter war Schuler nicht zu schlagen. Der Rekord liegt seit 2004 und Markus Maire bei 4,11 Metern.
T wie Tanzbein
Am Tag werden die Gegner durch die Luft geschwungen, am Abend machen die Besucherinnen und Besucher dasselbe mit dem Tanzbein. Auch im Baselbiet kam die Party nicht zu kurz.
U wie urchig
Wie es sich für das grösste Fest des Schweizer Nationalsports gehört, war in Pratteln viel Urchiges zu sehen. Jodler, Alphornbläserinnen, Fahnenschwinger und Trychlerinnen hatten Auftritte en masse. Und Edelweisshemden, Trachten, Bärte und Flechtfrisuren sah man, so weit das Auge reicht.
V wie vielseitig
Gleichzeitig ist das ESAF aber längst nicht altbacken. Schwingen liegt im Trend, Teenager und junge Leute sitzen hier Schulter an Schulter mit Vätern und Grosis. Und am Abend traten nicht nur Bands wie «Heimweh» oder «Stubete Gäng» auf, sondern auch Vincent Gross und viele Party-DJs sorgten mit aktuellen Hits für Stimmung.
W wie «Wo ist Walter»?
Jemanden auf dem Festgelände zu verlieren, ist nicht empfehlenswert. Weil gefühlt jede zweite Person in einem blauen Edelweisshemd unterwegs war (und sicher auch das gerade gesuchte Gspändli), konnte sich das Suchen schnell zu einem unfreiwilligen «Wo ist Walter»-Spiel entwickeln.
Z wie Zeitenwende
Der Titel von Wicki bedeutet nicht nur für den 25-Jährigen unglaublich viel, sondern auch für den ganzen Schwingsport. Erstmals seit 2010 darf sich nicht mehr ein Berner amtierender Schwingerkönig nennen. Die absolute Vorherrschaft des BKSV ist vorbei, die Zeitenwende ist da.