Auch an der Medienkonferenz in der umfunktionierten Eishalle von Méribel kann es Jasmine Flury noch nicht fassen. «Ich als Weltmeisterin, das klingt für mich noch nicht real. Es ist ein Traum und ich brauche wohl noch ein bisschen Zeit, bis ich das alles verarbeiten kann», erzählt die 29-Jährige.
Verständlich, schliesslich ist sich die Davoserin die grossen Erfolge nicht gewohnt. Erst einmal, im Super-G von St. Moritz im Dezember 2017, siegte sie im Weltcup. Damals war sie überfordert. «Ich war noch jung und gewann überraschend. Zudem waren im Rennen damals die Bedingungen wechselhaft und ich stellte meinen Sieg selber in Frage. Es wurde mir alles zu viel.»
Seit diesem Erfolg ging es in ihrer Karriere auf und ab. Immer wieder kämpfte sie mit kleineren und grösseren Verletzungen, oft ist es die Hüfte, «meine Schwachstelle», die ihr Probleme bereitet. Doch in den Trainings zeigt Flury auch, dass sie mit den Allerbesten mithalten kann. Für SRF-Ski-Expertin Tina Weirather war es deshalb «nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder einmal gewinnt».
Der Weg war nicht immer leicht
Der Weg zu WM-Gold war für Flury nach einem Skimarken-Wechsel und einigen Abstimmungsproblemen im Vorjahr auch in den letzten Wochen kein einfacher. «Ich lag krank im Bett und hoffte, dass ich rechtzeitig fit werden würde.» Noch im 1. Abfahrtstraining ist ihr die fehlende Frische anzumerken. «Doch im 2. Training spürte ich, dass die Energie zurück ist. Und auch das Material lief auf diesem Schnee.»
Als es dann am Samstag so richtig zählt, meistert sie die Piste «Roc de Fer» am besten, setzt sich knapp vor Nina Ortlieb (AUT) und ihrer Teamkollegin Corinne Suter durch, ausgerechnet Suter, ihrer besten Freundin. «Wir kennen uns in- und auswendig, haben schon viele Tränen zusammen vergossen und wissen, wie viel es braucht, um Erfolg zu haben», verrät die Bronze-Gewinnerin.
Medaillen- und Familienzuwachs bei Flurys
Die Umarmungen im Ziel zählt Flury nicht, sie geniesst jede einzelne. Ganz besonders teilt sie ihre Freude mit ihrer Familie, die das Rennen in Méribel live mitverfolgt. Noch besonderer wird der Tag durch die Tatsache, dass die Schwester aus einem guten Grund nicht dabei sein kann. «Ich habe gerade mit ihr telefoniert. Sie ist im Spital und erwartet heute oder morgen Nachwuchs», verrät Flury.
Auch wenn sie nicht gerne im Mittelpunkt stehe, ist für die erst zweite Ski-Weltmeisterin aus Graubünden nach der Churerin Yvonne Rüegg (1960 im Riesenslalom von Squaw Valley/USA) schon klar, dass am Abend im «House of Switzerland» so richtig gefeiert wird. Ob mit oder ohne Suter werde man noch sehen, denn die Schwyzerin weiss, dass sie nach ihrer in Cortina erlittenen Hirnerschütterung «sicher nicht auf den Tischen tanzen» wird.