Reisen Sie für einen Moment viereinhalb Monate in die Vergangenheit. Es ist der 27. Oktober 2024. Sie schlüpfen gedanklich in die Skischuhe. Sie sind das Mass aller Dinge, haben in der vergangenen Saison den Gesamtweltcup zum dritten Mal in Serie gewonnen. In Sölden steht das erste Rennen des Winters an – im Riesenslalom.
Ebenfalls am Start ist der grosse Marcel Hirscher, der schon acht grosse Kugeln in seinem Palmarès zählt und in dieser Disziplin zwischen 2012 und 2019 in sechs Wintern unschlagbar war. Sie begeben sich als Erster auf die Strecke, auf der Sie 2021 und 2022 triumphierten. Doch dann das Unglück: Sie bleiben im Steilhang mit dem Innenski hängen und scheiden aus.
Was geschieht danach? Quälen Sie Selbstzweifel? Hadern Sie mit dem Material? Nerven Sie sich grün und blau? Falls ja, sind Sie nicht wie Marco Odermatt.
Rüttelt Odermatt bald an Hirschers Thron?
Der Nidwaldner zeigte sich vom Auftaktschocker unbeeindruckt. «Das ist schon abgehakt», sagte er nach dem Rennen mit einem Lächeln auf den Lippen – als ob er in die Zukunft sehen könnte und wusste, dass er zum Saisonende ohnehin wieder der Beste ist – zum vierten Mal in Folge.
Ganz beiläufig vervollständigt Odermatt an der WM in Saalbach-Hinterglemm mit Gold im Super-G seine Medaillensammlung.
Skifahrer mit den meisten Gesamtweltcup-Siegen
Name | Nation | Anzahl Siege Gesamtweltcup |
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1. Marcel Hirscher | Österreich/Niederlande | 8 |
2. Marc Girardelli | Luxemburg | 5 |
3. Marco Odermatt | Schweiz | 4 |
3. Pirmin Zurbriggen | Schweiz | 4 |
3. Gustav Thöni | Italien | 4 |
3. Hermann Maier | Österreich | 4 |
7. Ingemar Stenmark | Schweden | 3 |
7. Phil Mahre | USA | 3 |
Mit dem beeindruckenden Quadrupel hievt sich Odermatt auf eine Stufe mit Legenden wie Pirmin Zurbriggen (62-jährig), Gustav Thöni (74) oder Hermann Maier (52). Jetzt stehen dem 27-Jährigen nur noch Marc Girardelli (61) und Hirscher (36) vor der Sonne.
Die Konstanz als Konstante ...
Das letzte Puzzleteil fügte Odermatt mit seinem 2. Rang am Samstag im Riesenslalom von Hafjell hinzu – und zwar zum 4. Triumph in der Overall-Wertung wie auch im Disziplinen-Weltcup (es ist dies auch bereits seine 8. kleine Kristallkugel). Wie schon in den letzten drei Saisons überzeugte der Schweizer mit Beständigkeit. Nach seinem Ausfall Ende Oktober fuhr er in 22 Weltcup-Rennen 16 Mal aufs Podest, dabei bejubelte er acht Weltcupsiege (drei im Super-G, drei im Riesenslalom und zwei in der Abfahrt).
Odermatts Weltcupsiege 2024/2025
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Bild 1 von 8. Super-G in Beaver Creek (USA). am 7. Dezember 2024. Bildquelle: AP Photo/Robert F. Bukaty.
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Bild 2 von 8. Riesenslalom in Val d'Isère (FRA). am 14. Dezember 2024. Bildquelle: EPA/GUILLAUME HORCAJUELO.
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Bild 3 von 8. Abfahrt in Gröden (ITA). am 21. Dezember 2024. Bildquelle: EPA/LUCIANO SOLERO.
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Bild 4 von 8. Riesenslalom in Alta Badia (ITA). am 22. Dezember 2024. Bildquelle: KEYSTONE/EPA/LUCIANO SOLERO.
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Bild 5 von 8. Riesenslalom in Adelboden. am 12. Januar 2025. Bildquelle: AP Photo/Giovanni Zenoni.
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Bild 6 von 8. Abfahrt in Wengen. am 18. Januar 2025. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Klaunzer.
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Bild 7 von 8. Super-G in Kitzbühel (AUT). am 24. Januar 2025. Bildquelle: EPA/ANNA SZILAGYI.
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Bild 8 von 8. Super-G in Crans-Montana. am 23. Februar 2025. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
... und das Lechzen im eigenen Lager
Beim Weltcup-Finale im US-amerikanischen Sun Valley (22. bis 27. März) wird Odermatt noch drei Rennen bestreiten, je eine Abfahrt, einen Super-G und einen Riesenslalom. Im besten Fall kommt er dann auf elf Siege. Dass der dreifache Weltmeister seine Fabelwerte von je 13 Erfolgen in den vorherigen zwei Saisons nicht erreichen wird, lag ausgerechnet an seinen Teamkollegen. In der Abfahrt von Beaver Creek behielt Justin Murisier das bessere Ende für sich, in jenen von Kvitfjell und Crans-Montana war es Franjo von Allmen, der Odermatt überflügelte.
Neben von Allmen dürften dem Ausnahmekönner vom Vierwaldstättersee im nächsten Winter auch Alexis Monney und Loïc Meillard den einen oder anderen Sieg abluchsen. Doch um Odermatt vom Thron zu stossen, braucht es weit mehr. Und wer glaubt, ein Fehlstart könnte ihn ins Wanken bringen, darf sich gerne an den 27. Oktober 2024 erinnern.