Charlotte Chable galt als grosse Schweizer Skihoffnung im Slalom, bis Verletzungen ihre Karriere beendeten. Im Weltcup ist sie als Medienkoordinatorin des internationalen Skiverbands FIS trotzdem geblieben – statt bei den Frauen nun bei den Männern. Mit SRF Sport blickt sie auf ihre Karriereende zurück und erzählt von ihrem Job.
SRF Sport: Charlotte Chable, Sie haben Ihr letztes Weltcuprennen vor bald 3 Jahren in Kranjska Gora bestritten. Inzwischen sind Sie bei der FIS angestellt. Wie ist es dazu gekommen?
Charlotte Chable: Nach meinem letzten Rennen habe ich mich verletzt und die ganze Reha gemacht. Danach schwebte ständig die grosse Frage über mir: «Was mache ich, wenn ich aufhöre?» Ich wusste in dieser Zeit nicht so recht weiter. Gleichzeitig kam die Chance bei der FIS und ich dachte mir, das könnte eine coole Sache werden, weil ich so im Skizirkus bleiben konnte.
Ich habe sicher nicht alles falsch gemacht, denn ich habe immer alles gegeben. Aber vielleicht war auch nicht immer alles richtig.
Blicken wir noch einmal zurück: Sie haben sich das Kreuzband im September 2021 zum 4. Mal gerissen. Wieso haben Sie nicht noch einmal einen Comeback-Versuch gewagt?
Ich habe es schon probiert, aber etwas hat für mich nicht mehr gepasst. Von der ersten Sekunde an nach dem Sturz habe ich mir jeden Tag die Frage gestellt, ob ich weiterkämpfen soll oder nicht. Ich habe alles gegeben und die ganze Reha gemacht. Doch dann bin ich an den Punkt gekommen, an dem ich gespürt habe, dass ich es nicht mehr schaffe, die Leistung zu bringen, die ich von mir selber erwartete. Heute habe ich zu diesen Erlebnissen eine gewisse Distanz aufgebaut, aber damals diese Entscheidung zu treffen, war sehr schwierig für mich.
Haben Sie in dieser Phase auch gehadert und sich gefragt «warum trifft es immer mich?»
Oh ja, mehr als einmal! Diese Frage war jeden Tag in meinem Kopf. Ich habe nicht verstanden, wieso es mir noch einmal passiert ist. Aber ich musste es akzeptieren und habe es verarbeitet. Danach galt es, neue Ziele zu finden. Diese habe ich mittlerweile gefunden.
Haben Sie auch eine Antwort darauf gefunden, warum immer das Kreuzband gerissen ist?
Es gibt wohl nicht die eine Antwort auf diese Frage. Aber mein Charakter ist es, immer Vollgas zu geben. Vielleicht habe ich es manchmal ein bisschen übertrieben und zu wenig auf meinen Körper gehört. Ich habe sicher nicht alles falsch gemacht, denn ich habe immer alles gegeben. Aber vielleicht war auch nicht immer alles richtig.
Wie sind Sie danach zur FIS gekommen?
Parallel zu meiner Ski-Karriere habe ich ein Kommunikations-Studium an einer Fern-Universität begonnen, das ich bald abschliessen werde. Durch eine Freundin bei der FIS wurde ich darauf aufmerksam, dass eine Stelle frei wurde; ich habe mich also beworben, durfte an ein, zwei Weltcup-Stationen reinschnuppern und wurde dann angestellt.
Welche Aufgaben haben Sie bei der FIS?
Im Winter führe ich die Interviews nach der Besichtigung und mit dem Sieger für die FIS. Zusätzlich koordiniere ich im Zielbereich die Medienanfragen. Auf Social Media poste ich für die FIS alles und im Sommer kuratiere ich unsere Webseite. Im Winter haben wir jemanden, der uns da ein bisschen hilft. Und sonst gibt es viele kleine Sachen wie offizielle Kommunikationen vorzubereiten. Mein Aufgabenbereich ist also sehr breit und ich habe den ganzen Tag etwas zu tun.
Es wäre vielleicht ein bisschen zu früh für mich gewesen, mit meinen Kolleginnen von früher unterwegs sein.
Ihnen wird also sicher nie langweilig …
Nein, mir wird nie langweilig (lacht). Ich habe aber gewusst, dass es im Winter 4 Monaten lang sehr anstrengend ist – eigentlich ist immer von 6:00 Uhr morgens bis 22:00 am Abend etwas los. Und wenn mal ein Training abgesagt wird, kann ich Dinge für das Wochenende oder die anstehende WM vorbereiten. Auch ein Tag ohne Rennen geht also schnell vorbei. Dafür weiss ich, dass ich im Sommer mehr Zeit für mich habe. Das Ganze gefällt mir sehr.
Müssen Sie von der FIS aus eigentlich neutral sein oder dürfen Sie mit den Schweizern mitfiebern?
Diese Frage haben mir schon viele gestellt. Klar muss ich neutral sein. Aber ich kenne schon ein paar Fahrer besser als andere und bin besonders froh, wenn sie ein gutes Resultat erzielen. Auf der anderen Seite habe ich durch meine Arbeit andere Fahrer besser kennengelernt, die ich vorher nicht so richtig gekannt habe. Am Ende freue ich mich für jeden, der eine gute Leistung bringen kann.
Mit wem fiebern Sie speziell mit?
Eigentlich will ich keine Namen nennen … Aber ich war oft gleichzeitig wie Justin Murisier verletzt und kenne ihn schon länger. Er versteht, was in meinem Leben passiert ist und ich kann nachvollziehen, wie es für ihn war. Ich finde es sehr cool, wie er immer gekämpft hat und dass er jetzt wieder so schnell fährt.
Wieso sind Sie eigentlich im Männer-Weltcup und nicht im Frauen-Weltcup gelandet, den Sie von früher kannten?
Im Frauen-Weltcup war die Stelle halt schon besetzt – und für mich passt das auch ganz gut so. Es wäre vielleicht ein bisschen zu früh für mich gewesen, mit meinen Kolleginnen von früher unterwegs sein. Es geht mir zwar heute mit meinem Leben sehr gut, aber ich glaube, ein bisschen Distanz zu haben, ist auch nicht schlecht.