Schon als er noch Kinderrennen fuhr, zeigte sich eine der besonderen Fähigkeiten von Marco Odermatt. Zum Beispiel dann, wenn die Wetterprognose am Vorabend schlecht war. Da begannen andere zu studieren, was denn jetzt allenfalls gemacht werden müsse, wenn es schneien sollte. Begannen vielleicht zu zweifeln, ob das Rennen überhaupt stattfinden würde.
Der junge Marco hingegen legte sich schlafen und vertraute darauf, dass er am Morgen beim Aufwachen schon sehen würde, was zu tun sei. Diese zuversichtliche Entspanntheit ohne jeden unnötigen Energieverlust, die kann man sich nicht vornehmen. Vermutlich kann man sie auch nicht erlernen, aber Odermatt hat sie. Auch heute noch.
Modellathlet unter den Topstars
Dazu kommt ein in vielerlei Hinsicht perfektes Umfeld. Im Athletikzentrum seines Individualsponsors beispielsweise wurde vorletzten Sommer bei einer Ultraschalluntersuchung von Odermatts Bewegungsapparat ein leichtes Ungleichgewicht in der Gesässmuskulatur festgestellt. Unter Anleitung von Athletiktrainer Kurt Kothbauer konnte diese Dysbalance beseitigt werden, wie eine neuerliche Untersuchung ein Jahr später bestätigte. Damit konnte dank modernsten Mitteln ein Umstand aus der Welt geschafft werden, der noch überhaupt kein Problem war, der aber eines hätte werden können.
Und ganz allgemein gilt Odermatt in diesem Athletikzentrum in Salzburg, wo viele Sportstars ein und aus gehen, als Modellathlet schlechthin. Ein Status, der nur erreicht werden kann, wenn beneidenswerte körperliche Voraussetzungen mit maximaler Professionalität bis hin zur Perfektion geschliffen werden.
Familiär und professionell
Auch die Zusammenarbeit mit seinem Skiausrüster ist für Odermatt ein Glücksfall. Er mag das Familiäre, das Bodenständige, da ist er bei der kleinen Skimanufaktur Stöckli im luzernischen Malters genau richtig. Aus den Reihen der Rennsportabteilung von Odermatts Skiausrüster ist immer wieder zu hören, wie einfach die Zusammenarbeit mit dem besten Skirennfahrer der Gegenwart sei. Einerseits weil jegliche Allüren bei «Odi» fehlen. Und andererseits, weil er bei jedem weiterentwickelten Skimodell sofort sagen kann, ob es funktioniert oder nicht.
So bringt der 25-Jährige das hoch Analytische und das tief Menschliche problemlos unter einen Hut. Wie er auch die Fähigkeit hat, einen Lauf mit äusserster Akribie zu verinnerlichen, also einen sehr klaren Plan zu haben, und dann trotzdem im Rennen seinen Instinkt spielen lassen kann. Im «System Odermatt» arbeiten Bereiche scheinbar problemlos nebeneinander, die sich eigentlich potenziell gegenseitig ausschliessen.
Auch die Perspektiven sind glänzend
Marco Odermatt ist ein Phänomen. Ein Sportler mit einer so grossen Vielzahl an Qualitäten, dass er selbst die anderen Weltbesten in den Schatten stellt. Anders wäre eine Saison, wie er sie hat abliefern können, gar nicht möglich. Da sind auch viele nicht auf den ersten Blick erkennbare Faktoren, die sein ohnehin riesiges Talent zum Skifahren veredeln und stärken.
Und es ist etwas vom Schönen an den überwältigenden Erfolgen und Rekorden in dieser Saison, dass sie zu einem wesentlichen Teil auf Faktoren beruhen, die nicht flüchtig sind. Die ihn auch in Zukunft stark machen werden.