Er wirkt im Interview überlegt, ruhig, ja beinahe abgebrüht. Dabei ist Livio Hiltbrand ganz frisch im Weltcup-Zirkus. In Beaver Creek hat er zum Zeitpunkt des Gesprächs das eine Training vom Mittwoch in den Beinen. «Nach der ersten Besichtigung war ich schon recht nervös», gibt der 21-Jährige zu.
Vor allem die Steilheit der «Birds of Prey» machte bei Hiltbrand Eindruck. «Jetzt bin ich aber ruhig. Vor Rennen bin ich generell nicht nervös. Wenn ich die Strecke bereits gefahren bin, fühle ich mich sicher.»
Auf das Saisonfinale verzichtet und belohnt worden
Ein einziges Weltcup-Rennen hat der Berner bereits in den Knochen: Als Junioren-Weltmeister im Super-G durfte er beim vorletzten Saisonfinale im März 2023 in Soldeu mittun. Dabei fuhr er den beachtlichen 17. Platz heraus.
Eineinhalb Jahre später steht nun in Übersee sein erstes Abfahrtsrennen bei den «Grossen» an, dank eines Fixstartplatzes für den gesamten Winter. Diesen erarbeitete sich Hiltbrand ebenfalls mit Abgebrühtheit und Weitsicht.
Obwohl er im letzten Winter als Junioren-Weltmeister (diesmal in der Abfahrt) erneut beim Saisonfinale startberechtigt gewesen wäre, verzichtete er auf den Prestige-Anlass. Dafür fuhr er in Kvitfjell das letzte Europacup-Rennen in der «Königsdisziplin», schnappte sich den Gesamtsieg und damit den wichtigen Fixstartplatz.
«Er gibt mir eine grosse Sicherheit», erklärt Hiltbrand. «Ich kann mich in den Trainings an die Strecke herantasten. Wenn ich die Quali noch fahren müsste, würde ich mehr unter Druck stehen.»
Aerodynamik, Selbstvertrauen und die feine Klinge
Seit seinem letzten Auftritt im Weltcup hat sich viel verändert beim Speed-Spezialisten. «Ich habe deutlich mehr Kilometer (aus dem Europacup, d. Red.) in den Beinen. Zudem ist das Selbstvertrauen gestiegen und ich habe meine Aerodynamik verbessert.»
Die Hocke-Position ist generell eine seiner Stärken. Zudem könne er gut «fein fahren», so Hiltbrand. «Ich drücke die Schwünge nicht zu. Das kommt mir vor allem im Speed entgegen.»
Wenn man in der Abfahrt ein Topfahrer werden will, muss man im Riesenslalom eine gewisse Grundlage haben.
Die feine Klinge im Schnee stammt aber nicht nur vom Runterbolzen steiler Pisten. Denn für den Youngster ist klar: «Wenn man in der Abfahrt ein Topfahrer werden will, muss man im Riesenslalom eine gewisse Grundlage haben.» Diese holt er sich mit regelmässigen Trainings und Rennen im «Riesen».
Am Freitag sind natürlich die ersten Weltcup-Punkte das Ziel (beim Saisonfinale in Soldeu waren nur bis Platz 15 Zähler vergeben worden). Und längerfristig? «Optimal wäre, wenn ich in der Abfahrt in die Top 30 stechen könnte.»