Handhygiene, Desinfektion, Schutzmasken, Abstand, Lüften, Trennscheiben: Massnahmen, die unseren Alltag prägen und mit fortschreitender Dauer auf immer weniger Akzeptanz stossen.
Machen alle Sinn? Das Gesundheitsmagazin «Puls» hat namhafte Expertinnen und Experten um ihre Einschätzung gebeten.
1. Hände waschen
«Das Händewaschen spielt für die Corona-Infektionen keine grosse Rolle. Man kann darauf verzichten – ausser für die üblichen Situationen im Alltag.» Diese klare Ansage kommt von Walter Popp, dem Vizepräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Im Zweifelsfall rät er eher zur Handdesinfektion.
Entschieden anders sieht dies Sarah Tschudin von der Schweizer Covid-Taskforce: «Doch, das ist nötig!» Händewaschen und -desinfektion seien stets ein Teil aller Massnahmenpakete gewesen. «Es ist schwierig zu beurteilen, wie wirksam die anderen Massnahmen sind, wenn man jetzt plötzlich auf eine Komponente verzichtet.»
2. Oberflächen desinfizieren
Lange war unklar, wie lange das Virus auf Oberflächen aktiv bleibt. Entsprechend intensiv wurde und wird noch immer auf grossflächiges Desinfizieren gesetzt.
«Eine völlige Zeitverschwendung», meint dazu Jose-Luis Jimenez, Aerosolexperte an der University of Colorado in Boulder. «Oberflächendesinfektion ist komplett nutzlos. Das kann man sich zu Hause, im Büro oder in einem Café wirklich sparen.»
Mit dem Verzicht auf grossflächiges Desinfizieren ist auch Sarah Tschudin-Sutter grundsätzlich einverstanden. Anders aber bei Liftknöpfen und ähnlichem: «Flächen, die sehr häufig von verschiedenen Personen angefasst werden, würde ich weiterhin desinfizieren.»
3. Masken tragen
Als «einen der grössten Fehler in der Geschichte der Volksgesundheit» bezeichnet Jose-Luis Jimenez die anfängliche Annahme, dass sich das Coronavirus nicht über die Luft verbreite. Erst im Herbst 2020 räumte die WHO das Gegenteil ein. Noch im Frühjahr bezeichnete Epidemiologe Peter Jüni die Masken «Puls» gegenüber kurzerhand als «Witz».
Das sieht Jüni heute anders. «Was ich damals im März gesagt habe, war absolut falsch.» Zu dieser Erkenntnis sei er im Sommer gelangt, als klar wurde, dass das Virus primär luftübertragen wurde. Als wissenschaftlicher Leiter der Covid-Taskforce von Ontario, Kanada, spricht er sich nun vehement für das Maskentragen aus.
4. Abstand halten
Abstand schützt vor Tröpfchenübertragung ebenso wie vor Aerosolen, denn bei genügend Abstand wird die ausgeatmete Luft ausreichend verdünnt. Die «Puls»-Fachrunde spricht sich deshalb unisono für das Beibehalten dieser Massnahme aus, die direkt zur nächsten führt: regelmässiges Lüften von Innenräumen.
5. Lüften
Diese eigentlich zentrale Massnahme kam erst recht spät hinzu. «Diese Karte hätte man rückblickend viel früher spielen sollen», meint Peter Jüni.
Wichtig: laufend den CO2-Gehalt der Luft messen, um zu wissen, wann das Lüften fällig ist.
6. Plexiglasscheiben
Die transparenten Trennelemente sind bei den ersten Entspannungsschritten wie Pilze aus dem Boden geschossen. Richtig eingesetzt sind sie kurzfristig auch durchaus von Nutzen: «Als Spuckschutz sind sie sinnvoll, aber kein dauerhafter Schutz vor Luftübertragung», meint Hygieniker Walter Popp.
Und Peter Jüni warnt davor, mit zu vielen Scheiben eine gute Durchlüftung zu verhindern: «Plexiglas macht nur Sinn, wenn man es frontal einsetzt und beide Seiten der Scheibe optimal belüftet sind. Sonst ist es kontraproduktiv.»