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Ahnenforschung bei der Kripo Schweden erlaubt Verbrecherjagd mit DNA-Stammbäumen

DNA-Plattformen wie «Ancestry» oder «GEDMatch» sind eigentlich für Menschen gedacht, die nach unbekannten Verwandten suchen. In den USA wurden dank dieser Datenbanken schon mehrere Mörder überführt. Neu nutzt sie auch die schwedische Polizei.

Der Doppelmord in der schwedischen Kleinstadt Lingköping wurde weltweit bekannt, nachdem er als Netflix-Serie «Genombrottet» verfilmt wurde. In Schweden hat er eine Diskussion angestossen, über die Frage, ob die Suche nach Verbrechern in kommerziellen DNA-Datenbanken zugelassen werden soll.

Nachdem sie die Gesetze überprüft hat, entschied die schwedische Regierung nun, diese sogenannte forensische DNA-Genealogie ab 1. Juli 2025 zu erlauben. Schweden ist damit Vorreiter in Europa.

Vorbild USA

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Als der berüchtigte Golden State Killer in den 1970 und 1980er Jahren mehrere Menschen ermordet, kann er nicht ahnen, dass ihm einst seine Verwandten zum Verhängnis werden.

Fast 40 Jahre lang kann er untertauchen, bis ihm ein Ahnenforscher auf die Schliche kommt. 2018 lädt dieser das DNA-Profil des Mörders bei einem kommerziellen Anbieter für genetische Stammbäume hoch, um in der Datenbank nach Verwandten des Täters zu suchen. Über eine entfernte Cousine geraten die Ermittler auf die Spur des Mörders.

Der Fall in den USA sorgt weltweit für Aufsehen und bringt nur wenig später den schwedischen Ahnenforscher Peter Sjölund auf die Idee, einen ungeklärten Doppelmord neu aufzurollen.

Der Mordfall, der als Netflix-Serie trendet

Es geht um einen Unbekannten, der 2004 einen Jungen und eine Lehrerin in der schwedischen Kleinstadt Linköping ermordet hatte.

Obwohl der Mörder seine DNA am Tatort hinterliess, können ihn die Ermittler nicht finden. Dank einer Ausnahmeregelung darf Peter Sjölund einen kommerziellen Anbieter für DNA-Stammbäume anzapfen und gerät so auf die Spur mehrerer Verwandter des Täters. Am Ende kann dieser überführt werden.

In der Schweiz verboten

Jetzt hat Schweden als erstes Land in Europa entschieden, den genetischen Abgleich der DNA von Tatverdächtigen mit kommerziellen Plattformen routinemässig bei der Aufklärung schwerer Straftaten zuzulassen. Bislang war das nur in den USA erlaubt – so wie in Grossbritannien, den Niederlanden und Australien in Einzelfällen.

In der Schweiz dürfen Ermittler seit der Reform des DNA-Profilgesetzes 2023 zwar in nationalen DNA-Datenbanken nach Verwandten von Tatverdächtigen suchen. Kommerzielle Plattformen wie «Ancestry» oder «23andMe» dürfen jedoch nicht genutzt werden.

Derzeit gebe es auch keine Pläne, das zu ändern, sagt Berina Repesa, Mediensprecherin des Bundesamts der Polizei, Fedpol. Cordula Haas, Expertin für forensische Genetik an der Universität Zürich, erwartet jedoch, dass auch die Schweiz die forensische DNA-Genealogie bei kommerziellen Anbietern langfristig zulassen wird. «Diese Methode ist extrem vielversprechend. Ich glaube, dass sich die Schweiz dem nicht dauerhaft verschliessen wird».

Datenschutz vs. Verbrechensaufklärung

Aus ethischer Sicht ist es allerdings umstritten, kommerzielle Datenbanken bei der Jagd auf Verbrecher anzuzapfen. Zwar müssen NutzerInnen ihr Einverständnis geben, bevor die Polizei ihr DNA-Profil mit Verdächtigen abgleichen darf. Wer seine Daten bei einem kommerziellen Anbieter hochlädt, legt damit aber auch Spuren zu Verwandten – ohne deren Einwilligung.

Darüber sollten sich die Nutzer solcher Datenbanken im Klaren sein, sagt die Forensikerin Marta Diepenbroek von der LMU München: «Natürlich ist es schockierend, wenn die Polizei plötzlich vor der Tür steht und sagt: ‹Sie sind die Cousine zweiten Grades eines Mordverdächtigen.›» Andererseits könne aber jeder Nutzer mit seinen Daten dabei helfen, Verbrechen aufzuklären und womöglich sogar Menschenleben zu retten. Denn zumindest theoretisch lassen sich mit dieser Methode auch Serienmörder stoppen, die noch aktiv sind.

Wissenschaftsmagazin, 08.03.2025, 12:40 Uhr

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