Darum geht es: Die Revision des DNA-Profil-Gesetzes soll die Phänotypisierung ermöglichen. Damit sollen Strafverfolgungsbehörden mehr Informationen aus der DNA für ihre Ermittlungen nutzen können. Bisher durften nur vorhandene Datenbanken beigezogen und nur das Geschlecht bestimmt werden. Mit dem revidierten Gesetz zieht die Schweiz gleich mit anderen europäischen Staaten wie Deutschland oder den Niederlanden.
Das ändert sich: Mithilfe der DNA-Phänotypisierung sollen zusätzlich äusserlich sichtbare Merkmale wie Augen-, Haar- und Hautfarbe, biogeografische Herkunft sowie das Alter festgestellt werden. Auch wenn die Informationen auf Wahrscheinlichkeiten beruhen, sind sie wichtige Hinweise für die Strafverfolgungsbehörden, um die Ermittlungs- und Fahndungsarbeit zu fokussieren, wie das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage schreibt.
Wenn der DNA-Profilabgleich keinen Treffer erzielt, besteht die Möglichkeit, einen erweiterten Suchverlauf nach Verwandtschaftsbezug durchzuführen. Falls sich in der Datenbank Personen befinden, deren DNA-Profil mit dem DNA-Spurenprofil eine Ähnlichkeit aufweisen, lässt das auf eine mögliche Verwandtschaftsbeziehung schliessen. «Wie auch die Phänotypisierung liefert ein Suchlauf nach Verwandtschaftsbezug ausschliesslich Ermittlungshinweise», betont jedoch das Fedpol.
Das war der Auslöser: Der verstorbene alt Nationalrat Albert Vitali (FDP/LU) hatte die Motion «Kein Täterschutz für Mörder und Vergewaltiger» nach der Vergewaltigung einer Frau in Emmen (LU) im Juli 2015 eingereicht. Die damals 26-jährige Frau wurde von einem unbekannten Mann vom Velo gerissen und vergewaltigt und ist seit dem Vorfall gelähmt. Trotz grossem Aufwand der Ermittlungsbehörden fehlte vom Täter jede Spur, sodass die Luzerner Strafverfolgungsbehörde den Fall 2018 auf Eis legte.
Am Donnerstag teilte die Luzerner Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit, dass die DNA des Täters nun dank der in Kraft getretenen Revision des DNA-Profil-Gesetzes ausgewertet werde.
So wird die Methode eingesetzt: «Die Phänotypisierung stellt keine Wunderwaffe dar», betont das Fedpol. Doch mit dem neuen Ermittlungsinstrument haben die Strafverfolgungsbehörden ein «wertvolles und im Ausland bewährtes Instrument erhalten, das ergänzend in Ermittlungen eingesetzt werden kann». Die Qualität der DNA-Spuren sei entscheidend für den Einsatz der Phänotypisierung. Deshalb sei es zum aktuellen Zeitpunkt noch zu früh, abzuschätzen, wie häufig die Methode zum Einsatz kommen werde, so das Fedpol.
Das wird kritisiert: Die erweiterte DNA-Analyse fördere Rassismus, heisst es von Kritikern. «Die DNA-Phänotypisierung ist ein wissenschaftliches Verfahren, das ergebnisoffen und ideologieneutral ist», entgegnet Fedpol-Mediensprecherin Berina Repesa. Deshalb wissen die Strafverfolger im Voraus nicht, welche Resultate die Phänotypisierung liefern werde.
Das sagen Forensiker: An der Arbeitsweise der Forensiker ändere sich mit der Phänotypisierung zwar nichts, sagt Jörg Arnold, stellvertretender Direktor des Forensischen Instituts Zürich. «Aber wir können, wenn alle andere Methoden nicht zum Ziel geführt haben, den Ermittlern neue Ansätze liefern.»